Potenziale der Blockchain für ökologische Nachhaltigkeit
Alle reden von der Blockchain. Aber die wenigsten wissen, wie die Technologie funktioniert. Ihrem Siegeszug tut das keinen Abbruch. Gut so. Denn mehr und mehr zeigt sich, was Blockchain für die Nachhaltigkeit bewirken kann. Vorne dabei: Die norwegische Unternehmensgruppe DNV GL, einer der Großen im internationalen Geschäft um Qualitätssicherung und Risikomanagement.
13.08.2019
„Wir arbeiten seit mehr als 150 Jahren daran, Vertrauen und Verlässlichkeit zu schaffen“, sagt DNV GL-Chef Remi Eriksen. Und dass die Blockchain-Technologie erhebliches Potenzial habe, diese Position zu stärken. DNV GL hatte sich daher im vergangenen Mai beim Blockchain-Dienstleister VeChain eingekauft, um, wie Eriksen es damals formulierte, gemeinsam neue „digitale Lösungen zur Verbesserung von Qualität, Effizienz und Transparenz“ zu schaffen.
My Story: eine Blockchain-basierte digitale Assurance-Lösung
Wie das geht, wie Blockchain helfen kann, Vertrauen und Transparenz zu schaffen oder sogar zu steigern, das zeigen VeChain und DNV GL mittlerweile mit My Story, einer Art digitalem Prüfsiegel, mit dem Verbraucher sich über verschiedene Aspekte eines Produkts kundig machen können. Es gründet auf der Blockchain-Technologie und offenbart zum Beispiel, wie und wo ein Produkt hergestellt wurde, unter welchen Bedingungen, auch sozialer oder ökologischer Art.
Mit italienischen Winzern haben die Digitalprofis von DVN GL so ein Pilotprojekt schon umgesetzt. Nach dem Scannen eines QR-Codes, der auf den Flaschen angebracht ist, können Verbraucher die Entstehung des Weins quasi virtuell nachverfolgen und auf die gesamte Geschichte von der Traube bis zur Flasche zugreifen: Welche Rebsorte angebaut und abgefüllt wurde, wo das Weingut liegt, wem es gehört und selbst wie sich der Wein am besten verköstigen lässt. Klingt zunächst nicht besonders nachhaltig, sondern mehr wie eine weitere Software oder App, die halt ein paar Zusatzinfos zu einem Produkt bietet – geht aber weit darüber hinaus.
„Die echte Geschichte erzählen“
„Mit My Story können wir verschiedene Aspekte eines Produkts beleuchten“, sagt Juby Ninan, Digital Transformation Manager bei DNV GL – Business Assurance. Neben der Produktqualität eben auch ethische, soziale und ökologische Aspekte. Und: Durch Sammeln und Verifizieren von Nachweisen zur Güte der Lieferkette und fälschungssicheres Speichern dieser Daten in der Blockchain gewännen diese Daten zusätzliche Glaubwürdigkeit und ermöglichten es den Verbrauchern, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. „So können Unternehmen mit My Story verifizierte Informationen über ihre Nachhaltigkeitsversprechen präsentieren – sei es in Bezug auf den Wasser- und CO2-Fußabdruck, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, die Behandlung von Tieren und vieles mehr“, so Ninan.
Das kommt einem Trend entgegen, den Marktforscher schon länger beobachten. Dass nämlich das Vertrauen der Menschen in Marken mehr und mehr erodiert und sie gleichzeitig immer genauer wissen wollen, was hinter einem bestimmten Produkt steckt. Ein weiterer zu beobachtender Trend ist, dass Verbraucher Produkte von Marken kaufen, die ihre eigenen persönlichen Werte teilen oder widerspiegeln. Dies gilt insbesondere für Millennials und jüngere Generationen, die sich mit den Nachhaltigkeitsbemühungen einer Marke und den Auswirkungen von Produkten auf die Umwelt in Bezug auf CO2-Emissionen, Wassernutzung, Umgang mit Abfällen sowie den sozialen und ethischen Auswirkungen wie Rechte von Mitarbeitern oder Tierschutz auseinandersetzen. My Story ermöglicht es, die Vertrauenslücke zwischen Verbraucheranliegen und den Bemühungen einer Marke in Bezug auf Nachhaltigkeit, Authentizität und Qualität zu schließen.
Digital Carbon Ecosystem: Klima retten mit Blockchain
Die Rückmeldungen zu dieser ersten verbraucherorientieren Blockchain-Lösung waren durchweg positiv. Auch daher hat sich DNV GL entschlossen, Blockchain-Lösungen auf weitere Branchen auszuweiten, im Gespräch sind beispielsweise die Textilindustrie, das Gesundheitswesen und die Automobilbranche. Für die Blockchain-Technologie selbst taugen indes noch viele andere Anwendungen. Was alles möglich ist, lässt sich erahnen, betrachtet man das sogenannte Digital Carbon Ecosystem, das DNV GL mit seinen Partnern VeChain und dem führenden Elektrofahrzeughersteller BYD als Pilotprojekt aufgebaut hat. Es soll das das ökologische Fahrverhalten fördern, indem es Autobesitzer zur Reduzierung der CO2-Emissionen anregt.
Das Digital Carbon Ecosystem besteht aus einer Anwendung, die Fahrzeug- und Fahrernutzungsdaten sammelt und diese Informationen an die Blockchain überträgt. Die elektrisch gefahrene Strecke wird mit der eines Verbrennungsmotors verglichen und ein von DNV GL abgeleiteter Smart Contract vergibt die entsprechende Menge an CO2-Zertifikaten an den Fahrer. Die ausgestellten Emissionsgutschriften werden mit einem Token versehen und der Nutzer kann den entsprechenden Wert übertragen, um Waren und Dienstleistungen von am Netzwerk beteiligten Partnern zu kaufen. Auf diese Weise kann der Nutzer von den Emissionsgutschriften profitieren, die er für das "grüne Fahren" erhält. Und teilnehmende Händler, Einzelhändler und Dienstleister wie zum Beispiel Versicherungen können einem attraktiven Kunden maßgeschneiderte Dienstleistungen auf der Grundlage zuverlässiger Daten anbieten.
Anreize statt Regeln: Ein grundlegender Wandel
Juby Ninan erklärt weiter, dies sei ein grundlegender Wandel gegenüber der derzeitigen Art und Weise, wie Unternehmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen: Nämlich weg von Handlungsvorschriften und Regeln seitens des Gesetzgebers, hin zu einem Anreizsystem, das die belohnt, die etwas tun. „Ein solches Carbon Ecosystem könnte auf die interne Logistik innerhalb von Unternehmen und sogar auf einzelne Bürger ausgedehnt werden“, so Ninan.
Neben dem Digitalen Carbon Ecosystem arbeitet DNV GL - Business Assurance auch daran, Token-Ökonomiekonzepte in Verbindung mit Blockchain- und Tagging-Technologien einzusetzen, um zirkuläre Ökonomien aufzubauen und Bürger und Organisationen zur Teilnahme an umweltfreundlichen Praktiken wie Wassereinsparung, Abfallentsorgung und -management wie dem Recycling von Kunststoffverpackungen, Glas, Gummi, und so weiter zu motivieren. Die Einstellung des Einzelnen zum Wert von Abfällen zu ändern und die Recyclingquoten zu verbessern, ist eine globale Herausforderung, der sich DNV GL mit dem Einsatz der Blockchain-Technologie und einem vernetzten Ökosystem von Partnern stellt.
Weitere Beispiele, wie DNV GL die Blockchain-Technologie einsetzt, damit Organisationen und Einzelpersonen zu einer sichereren und nachhaltigeren Zukunft beitragen können:
- die Unterstützung von Initiativen zur Lebensmittelsicherheit,
- eine verantwortungsbewusste Produktion durch die Sicherstellung, dass Produkte und ihre jeweiligen Teile nachhaltig entwickelt und beschafft werden,
- die Ermutigung von Organisationen und Einzelpersonen, sich an nachhaltigen Praktiken zu beteiligen,
- die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsansprüchen in Produkten, wodurch umweltbewusste Käufer ausreichend informiert werden können, um sich an einem verantwortungsvollen Konsum zu beteiligen