Unterirdisch
Ob in Schmuck, Batterien oder medizinischen Geräten: Rohstoffe wie Zinn, Wolfram, Tantal, Kobalt, Glimmer oder Gold kommen in alltäglichen und Luxusgütern vor. Hier in Europa verschönern und verbessern sie unser Leben. In den Herkunftsländern aber hat sich das Leben unter Corona vor allem für Kleinbergleute weiter verschlechtert.
10.01.2022
Wir tragen sie am Handgelenk oder benutzen sie für eine bequeme Fortbewegung: Wertvolle mineralische Rohstoffe wie Gold oder Kobalt sind in vielen alltäglichen und Luxusprodukten enthalten. Das Produkt selbst mag noch so glänzend sein – die Bedingungen, unter denen die Rohstoffe dafür in Entwicklungs- und Schwellenländern abgebaut und verarbeitet wurden, sind es oftmals nicht.
Mineralische Rohstoffe wie Gold stammen entweder aus dem industriellen Bergbau, dem Kleinbergbau oder dem Recycling. Die Weltbank schätzt, dass weltweit mehr als 40 Millionen Menschen im Kleinbergbau beschäftigt sind und mehr als 80 bis 100 Millionen Menschen existenziell von ihm abhängen, darunter immer mehr Frauen.
Im Unterschied zum industriellen Bergbau hantieren sie mit meist einfachen Werkzeugen, arbeiten oft einzeln, als Familie oder in kleinen Gruppen. Die meisten von ihnen arbeiten informell, ohne Arbeitsvertrag und Trainings, und zählen zu den Ärmsten der Welt. Die Armut treibt Familien dazu, auch ihre Kinder in Minen und Steinbrüchen arbeiten zu lassen und sie erheblichen Risiken auszusetzen. Die ILO geht von mehr als einer Million Kinder aus.
Auswirkungen von Corona auf den Kleinbergbau
Die Corona-Pandemie hat die Probleme und Herausforderungen, vor denen der Kleinbergbau vielerorts steht, noch verschärft. Grenzschließungen haben auf der ganzen Welt, unabhängig von der Ware, dazu geführt, dass Lieferketten unterbrochen wurden. Kleine Bergbaubetriebe mussten schließen, die staatliche Kontrolle wurde reduziert. Gleichzeitig nahmen inoffizielle Grenzübergänge und der Betrieb illegaler Minen zu. Während illegale Zwischenhändler von dieser Entwicklung profitieren, müssen kleine Bergleute stark reduzierte Preise für ihre Waren und Dienstleistungen in Kauf nehmen. Frauen, die im Vergleich zu den männlichen Kollegen ohnehin schlecht bezahlt werden, trifft diese Entwicklung besonders hart.
Zur wirtschaftlichen Not kommt die Gefahr hinzu, Opfer von Missbrauch durch bewaffnete Gruppen oder öffentliche und private Sicherheitskräfte zu werden, die zum Teil am illegalen Bergbau beteiligt sind. Human Rights Watch (HRW) berichtet zum Beispiel, dass es in Venezuela zu Misshandlungen von Anwohnern einer Bergbaugemeinschaft durch Anhänger solcher bewaffneten Gruppen, auch Syndikate genannt, kam.
Unternehmen der Minerallieferkette in der Pflicht
HRW sieht hier unter anderem den Privatsektor in der Verantwortung, sicherzustellen, dass es nicht zu Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette kommt. Juliane Kippenberg, stellvertretende Direktorin aus der Abteilung Kinderrechte von HRW: „Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – dem internationalen Standard für die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte – sollten Unternehmen in ihrer gesamten Lieferkette eine ‚Human Rights Due Diligence‘ durchführen – das heißt, die Auswirkungen auf die Menschenrechte bewerten, verhindern, mildern und beheben und öffentlich über ihre Bemühungen berichten.“ Ein solches verantwortungsvolles Geschäftsverhalten, so Kippenberg, wäre im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und vor allem derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen erlitten hätten. Gleichzeitig lassen sich so auch die Risiken für die Unternehmen selbst besser bewerten und minimieren.
Gemeinsam mit weiteren Organisationen und Verbänden fordert HRW Akteure des Privatsektors, Regierungen, Finanzinstitutionen und internationale Organisationen anlässlich der Corona-Pandemie dazu auf, die kleinen Bergleute mit Notfall und langfristigen Maßnahmen zu unterstützen. Gerade in Zeiten der Krise und erhöhter Risiken sei es wichtig, sich für die Wahrung der Menschenrechte und die Erfüllung der Sorgfaltspflicht gemäß den OECD-Leitlinien einzusetzen und hart erkämpfte Errungenschaften in diesem Zusammenhang zu schützen.
Zu den empfohlenen Maßnahmen gehören die würdige Soforthilfe in Form von Bargeld, Nahrungsmitteln und Gesundheitsleistungen, logistische, finanzielle und infrastrukturelle Hilfe zur Eindämmung des Corona-Virus ebenso wie die Unterstützung bei der Gesundheitserziehung und der Bereitstellung von Informationen – alles in Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Behörden vor Ort.
Eine weitere Empfehlung ist, den legalen Handel etwa durch finanzielle Anreize und den Abbau bürokratischer Hürden zu stärken und die Formalisierung des Kleinbergbaus zu fördern. Von dieser erhofft man sich unter anderem, dass sie zur Bewältigung struktureller Probleme wie Armut, Ungleichheit, Menschrechtsverletzungen, aber auch zur Verringerung von Umweltschäden durch den Bergbau beiträgt.
Weiterhin setzt sich HRW dafür ein, dass auch im Großbergbau die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitenden in Zeiten von Corona gewährleistet ist, dass Frauen besonders unterstützt werden und die Arbeit mit lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen verstärkt wird.