Der neue Golf VI kommt: Stunde des Bestsellers
Im Frühjahr präsentiert Volkswagen mit dem neuen Golf VI traditionell das wichtigste Modell des Unternehmens. Der neue Golf trumpft dabei in Umweltfragen auf. So liegt der Co2-Ausstoß etwa unter 100 Gramm - und das trotz leistungsstarkem Motor und kaum Mehrkosten beim Kauf. Damit schafft der Golf VI die Verbrauchswerte, die einst der Lupo als Marke gesetzt hatte. Trotzdem schaut man in Wolfsburg besorgt auf die Markteinführung, denn das Branchenumfeld hat sich weltweit deutlich eingetrübt.
11.02.2009
„Gedacht“, räumt Günter Damme ein, „war das ursprünglich anders.“ Ein dickes Umweltplus wollte der Umweltmanagementbeauftragte von VW dem neuen Golf VI verpassen und so der Erfolgsgeschichte des Wolfsburger Dauerläufers ein weiteres Kapitel anfügen. Das Image des Volks-Autos sollten die Volkswagen-Konstrukteure mit der Blue-Motion-Technologie in Zeiten des Klimawandels aufpolieren. Im Frühjahr 2009 rollen die neuen Öko-Golfs auf den Markt, deren Motoren der Atmosphäre unnötiges CO2 ersparen und damit ein perfektes Klimaschutzargument sind. In Zeiten der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, die nun aber auch den deutschen Autohandel an den Tropf eiligst beschlossener Abwrackprämien zwingt, mutiert der Umweltbonus unversehens zum schnöden Verzweiflungsruf. „Wenn uns das jetzt hilft“, sagt VW-Umweltexperte Damme, „dann ist das in dieser Situation doch nur doppelt gut.“
Am Vorschusslorbeer kanns kaum liegen, wenn der Absatz lahmen sollte. Den erntete das Fahrzeug bei der Motorpresse bereits zuhauf. Der neue Sechser-Golf soll der erste sein, der auf 100 Kilometer weniger als vier Liter Sprit schluckt. Werksangabe: 3,8. Er wäre damit so verbrauchsarm wie sein kleinerer Bruder Polo. Sein Kohlendioxidausstoß bleibt - den Werksangaben zufolge - sogar noch unter 100 Gramm! Vom „Saubergolf“ jubelt da bereits die „Bild“-Zeitung. Und das, obwohl der Fahrer auf die bekannten Kennzahlen keinesfalls verzichten muss. Die neue Generation Golf braust mit 190 in der Spitze und jagt den Tacho in 11,3 Sekunden auf Tempo 100.
Leistung trotz Sparsamkeit
„Sparsamkeit wird im Golf VI BlueMotion nicht mit mangelnder Dynamik erkauft“, urteilt daher der „Bild“-Testpilot. Er weiß, warum das so ist: „Eine längere Übersetzung des Getriebes, ein Aerodynamik-Kit und rollwiderstandsarme Reifen reichen, um aus dem Golf ein echtes Dreiliter-Auto zu machen.“
Dabei hatten die Wolfsburger Konstrukteure mit Öko-Features nicht immer ein glückliches Händchen: Der einst hoch gelobte Dreiliter-Lupo erwies sich trotz seinerzeit revolutionärer Leichtbauweise selbst unter eingefleischten Öko-Kunden eher als Ladenhüter. „Zu teuer“, urteilt Günter Damme heute selbst etwa über die aufwändigen Materialien, „und zudem sehr mit dem Makel des Genussverzichts belastet.“ Längst nicht alle Autofahrer nämlich freuen sich hinterm Lenkrad über allzu zuckelnde, weil Sprit sparende Motoren. „Und für die Start-Stopp-Automatic war es damals einfach noch zu früh“, räsoniert Damme, „damit kamen viele Fahrer nicht klar.“ Die Rechnung der Wolfsburger war schlicht mit zu vielen Unbekannten gespickt. Das Ergebnis unterm Strich ernüchternd: Der Lupo wies marginale Verkaufszahlen aus und die Produktion wurde folglich eingestellt.
Dagegen werde jetzt der neue Golf VI Blue Motion seinen Käufern nur etwa 200 Euro Mehrpreis abnötigen. Die Neuheiten seien, so Günter Damme, im Rahmen der normalen Modellpflege entwickelt oder im bereits seit 2006 erhältlichen Polo Blue Motion schon getestet. „Wir haben gelernt“, sagt Damme, „wer Verzicht predigt, macht kein Geschäft.“ Es gehe bei Volkswagen nun darum Blue Motion als Label am Markt zu etablieren, und dabei mögliche Verbesserungen konsequent im Serienfahrzeug umzusetzen.
Effizienz nicht zum Nulltarif machbar
Allerdings, glaubt der Umweltexperte, werde wohl ab der kommenden Blue Motion Generation in neuen Modellen trotzdem wieder mit Aufpreisen zu kalkulieren sein. Die jetzigen Verbesserungen am Fahrzeug wie geringerer Widerstand etwa durch tiefer gelegte Karosserien oder den dichteren Kühlergrill wie im Golf VI seien ausgereizt. „Eine Start-Stopp-Funktion ist ökologisch sinnvoll“, rechnet er vor, „aber sie kostet.“
Die automobile Reise geht für Damme ohnehin in Richtung Elektrofahrzeug. Die Optimierung vorhandener Verbrennungsantriebe ist für ihn bloß erster Schritt auf einer dreistufigen Leiter zum Auto der Zukunft. Regenerative Energien als Spritersatz sind für den VW-Umweltmanagementbeauftragen allenfalls die zweite Sprosse. Selbst der Einsatz von Biokraftstoffen könne nur eine Teil- oder Übergangslösung zur Mobilität der Zukunft sein.
Die liegt für Damme in der Entwicklung leistungsfähiger Batterien für das Elektroauto. Dort sieht Volkswagen Handlungsbedarf. Konsequent sponsert der niedersächsische Welt-Konzern daher auch eine Universitäts-Professur in Münster. Am Lehrstuhl wird geforscht, um nah am Puls aller Neuheiten zu bleiben.
Die aktuelle Finanzklemme dürfte den Zeithorizont, bis auf den Straßen solche Batterie betriebenen Elektro-Cars rollen, von geschätzten zehn bis zwanzig Jahre aber eher noch länger dehnen. „Die Geldverknappung wird auch notwenige Investitionen eher zeitlich strecken“, fürchtet Damme. Er gibt zu, es könnte in solchen Zeiten vielleicht günstiger sein, gemeinsam Ziele zu verfolgen. In deutschen Autowerken aber setzt noch immer jede Ingenieurscrew auf die eigenen Forschungsschwerpunkte.