Mobilität & Logistik

Carbazol - Kraftstoff für die Zukunft?

Ein neuer Kraftstoff soll sowohl die Elektromobilität als auch das Fahren mit Wasserstoff revolutionieren. Carbazol, eine flüssige Kohlenwasserstoffverbindung, gilt unter Experten schon jetzt als vielversprechender Ersatz für herkömmliche Kraftstoffe. Wichtig ist hierbei vor allem, dass sich Carbazol ebenso unproblematisch und sicher handhaben lässt wie Benzin und dabei eine große Menge Wasserstoff (H2) speichern kann. Im Auto leitet ein Katalysator diesen dann an eine Brennstoffzelle weiter, die daraus Strom für den Antrieb generiert. Das Bundesverkehrsministerium prüft jetzt einen Förderantrag der Universität Erlangen.

19.07.2011

Foto: jester.berlin/flickr.com
Foto: jester.berlin/flickr.com
Die Akzeptanz von Wasserstoff als Kraftstoff ist seit Jahren hoch, doch halten viele Verbraucher den Einsatz immer noch für weitaus gefährlicher als andere Antriebstechnologien. Laut einer Studie der internationalen Initiative „clean energy project“ beurteilen zwar 78 Prozent der Befragten die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger positiv, gleichzeitig glauben aber 60 Prozent, dass eine Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen gefährlich sei. Dies könnte sich mit Carbazol ändern, ist sich Wolfgang Arlt, Professor für Verfahrenstechnik an der Universität Erlangen, sicher. Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „der Spiegel“ formuliert er die hohen Erwartungen an das Projekt: „Das Elektroauto von morgen tankt flüssige Wasserstoffträger."

Flüssige Wasserstoffträger als Benzin des 21. Jahrhunderts

Bisherige Versuche, Wasserstoff großräumig als Kraftstoff einzusetzen, scheiterten meist an der schwierigen Speichertechnik. So sind für den Tank entweder ein dauerhafter Druck von 700 Bar oder Temperaturen von minus 260 Grad erforderlich. Auch verliert Wasserstoff in dieser Speicherform an Qualität als Energieträger. Für Carbazol dagegen sprechen gerade die Möglichkeiten einer einfachen Nutzung sowie Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen Kraftstoffen. Tatsächlich ist der neue „Supersprit“ flüssig, verfügt über eine ähnliche Konsistenz sowie ein vergleichbares Gewicht wie Diesel und lässt sich durch seine speziellen chemischen Eigenschaften unproblematisch auch über weite Entfernungen transportieren.

Ausgangstoff ist dabei die chemische Verbindung N-Ethylcarbazol (C12H9N). Sie kommt in Steinkohlenteer und in Erdöl vor, kann aber auch synthetisch hergestellt werden. Carbazol kann Wasserstoff speichern und langfristig binden, und ist im Umgang nicht problematischer als Benzin. Für eine zukünftige Nutzung müsste Wasser (H2O) mithilfe von Elektrolyse in speziellen Raffinerien in seine Bestandteile H2 und O zerlegt werden, wobei der energiereiche Wasserstoff im energiearmen Carbazol gespeichert werden könnte. Der dafür benötigte Strom soll CO2-neutral in Solarkraftwerken im Mittelmeerraum oder Wind- und Wasserkraftwerken im Norden Europas erzeugt werden.

Mithilfe eines etwa schuhkartongroßen Katalysators würde das Gemisch im Auto wieder getrennt, wobei der energiereiche Wasserstoff die Brennzelle mit Strom versorgt. Anschließend könnte das verbrauchte Carbazol erneut aufgeladen werden. Der so geschaffene Kreislauf käme nicht nur der Umwelt zugute, sondern würde auch von den Verbrauchern keine gravierenden Änderungen ihres Fahrverhaltens erfordern. Denn die Übertragung des Konzepts auf vorhandene Infrastruktur ist wesentlich einfacher zu realisieren, als bei anderen Antriebskonzepten mit flüssigem Wasserstoff oder Akku-basierter Elektromobilität.

Elektrizität aus der Zapfsäule

Wie beim herkömmlichen Tankvorgang ließe sich Carbazol ganz einfach über das bestehende Tankstellennetz vertreiben. Statt bisher eines Tanks hätte jedes Fahrzeug allerdings zwei Speichereinheiten. Während im ersten Tank das energiereiche Kohlenwasserstoffgemisch eingefüllt wird, ist der zweite für die Aufnahme des entladenen Carbazols vorgesehen. Beim eigentlichen Tankvorgang würde daher nicht nur neuer Sprit aufgenommen, sondern gleichzeitig auch der nach Gebrauch nutzlos gewordene wieder abgegeben. Tanklaster könnten das entladene Carbazol anschließend zurück zu den Raffinerien transportieren, wo es erneut mit elektrisch geladenem Wasserstoff angereichert wird. In diesem Zusammenhang betont Arlt: „Carbazol kann durch die gleichen Pipelines fließen wie Rohöl, mit den gleichen Tankschiffen oder Tanklastern transportiert und über die gleichen Zapfsäulen verkauft werden."

Momentan arbeiten mit BMW, Daimler, MAN und Siemens bereits einige große Unternehmen an entsprechenden Forschungsprojekten, wobei die Erfolgschancen durchaus positiv beurteilt werden. Bis zur Marktreife könnten aber noch einige Jahre vergehen. Arlt peilt hier einen Zeitraum von etwa zehn Jahren an und verweist auch auf die geplante umwelttoxikologische Untersuchung des Stoffes: „Wir streben die Klassifikation ‚Xn‘ an“, erläutert er im Gespräch mit UmweltDialog.  „Xn“ steht in diesem Falle für „unbedenklich“ und würde ein weiterer Vorteil gegenüber herkömmlichem Benzin sein.  Die Universität Erlangen will ihre Forschungen jedenfalls mit 400.000 Euro von der Bundesregierung fördern lassen und hofft dabei auf die Unterstützung des Verkehrsministeriums. Rainer Bomba, Staatssekretär beim BMVBS, sieht in dem neuen Kraftstoff großes Potenzial und betont gegenüber der „Financial Times Deutschland“: „Das Zeug ist ein Wundermittel" und könne die Fortbewegung der Zukunft revolutionieren.

Keine Marktreife

Vor der praktischen Umsetzung stehen Forscher und Entwickler allerdings noch bei einigen Punkten vor Problemen. So kann der Stoff bisher nur 60 Gramm Wasserstoff pro Liter aufnehmen, was eine faktische Verdoppelung des Tankvolumens zu Folge hätte. Auch sind nach Erkenntnissen der Forschungsabteilung von Mercedes, für die Abspaltung im Katalysator bisher noch Temperaturen von über 200 Grad erforderlich. Das jedoch „würde ein komplett neues Temperaturmanagement erfordern und die Energiebilanz beeinträchtigen", erläutert Daimler-Sprecherin Eva Wiese gegenüber dem „Spiegel“. Eine Einführung des neuen „Wundersprits“ ist also noch nicht absehbar, die Entwicklung aber hat auch an der Universität Erlangen längst begonnen.
Quelle: UD
 
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