Herbert Höltschl, BMW Group: „Nachhaltig aus Grundüberzeugung“
Die Analysten sind sich seit mehreren Jahren einig: Die BMW Group hat beim Thema Nachhaltigkeit in der Automobilbranche einen Spitzenplatz inne. Grundlage dieses Erfolges bildet eine klare Verankerung des Themas in allen Unternehmensbereichen, erläutert Herbert Höltschl. Er ist Konzernbeauftragter für Nachhaltigkeit und Umweltschutz der BMW Group. Im UmweltDialog-Interview gibt Höltschl Einblicke in die strategische Ausrichtung von CSR bei der BMW Group.
11.06.2010
UmweltDialog: Gratulation Herr Höltschl – Ihr Konzernchef Reithofer hat gesagt, eine Premiummarke wie BMW definiere sich in Zukunft auch über Nachhaltigkeit. Zum besseren Verständnis für unsere Leser: Wo ist das Thema aber genau in der Unternehmensstrategie angesiedelt?
Herbert Höltschl: Wir haben bei der BMW Group hierzu ein Strategiehaus eingerichtet, in welchem die Nachhaltigkeit als Grundüberzeugung aller Ressortstrategien verankert ist. Ganz wichtig ist uns dabei auch, dass die Nachhaltigkeitsstrategie explizit mit der Unternehmensstrategie „Number ONE“ verlinkt ist, so dass sie wirklich integraler Bestandteil aller Entscheidungen und Vorgehensweisen ist.
UmweltDialog: Wie kann man sich das Strategiehaus vorstellen? Was befindet sich im Keller, was im Spitzboden, bildlich gesprochen?
Höltschl: Das Fundament der Unternehmensstrategie bilden die Grundüberzeugungen. Eine von ihnen ist Nachhaltigkeit. Auf den Grundüberzeugungen fußen als Querschnittsstrategie die angesprochene Nachhaltigkeitsstrategie, aber auch die Personalstrategie, weil unsere Mitarbeiter das größte Potenzial unseres Unternehmens darstellen, und sich auch diese Strategie über alle Themen und Ressorts erstrecken muss. Durch diese zentrale Verankerung wird die Nachhaltigkeitsstrategie verbindlich für unser gesamtes Handeln und für alle Ressorts und Bereiche. Sie setzt sich zusammen aus den drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales, über denen das oberste Ziel steht: Das nachhaltigste Unternehmen der Automobilindustrie zu sein.
Durch die Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie Number ONE schaffen wir es, dass jedes Ressort, vom Einkauf über die Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Finanzen bis hin zum Personalressort das Nachhaltigkeitsziel verinnerlicht. Jedes Ressort schaut sich an, was die Konzernstrategie Number ONE und was die Nachhaltigkeitsstrategie besagt, und setzt dies in ihre jeweilige Vorgehensweisen und Prozessen um.
UmweltDialog: Die Strategie Number ONE kommt in der Öffentlichkeit häufig als Sparprogramm an. Dabei ist es mehr. Was heißt Number ONE unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten?
Höltschl: Number ONE ist keine Sparstrategie. Number ONE fragt danach: Was heißt Zukunftsfähigkeit? Mit welchen Technologien geht es weiter? Welche Regelungen kommen auf uns zu? Wie wollen wir weiter gefasste Geschäftsmodelle verstehen? Bei der Elektromobilität in Megacities zum Beispiel geht es auch um die Frage der Organisation verschiedener Module von Verkehrsträgern, deren Infrastruktur, Ladestationen etc. Kann man in einem Netzverbund Fahrzeug und Versorgung als eine Einheit sehen und sagen: Mal zieht das Fahrzeug Strom, man liefert es Strom? Das sind Beispiele für künftige, innovative Mobilitätskonzepte.
UmweltDialog: Das Beispiel Elektromobilität macht deutlich, dass man das Mobilitätsthema eng im Zusammenhang mit dem legislativen und gesellschaftlichen Rahmen sehen muss. Was erwarten Sie von der Politik?
Höltschl: Wichtig beim Blick auf die Politik ist dort mitzuarbeiten und mitzugestalten. Der wesentliche Auftrag der Politik ist aus meiner Sicht die Festlegung von Rahmenbedingungen, die dann durch die jeweiligen Unternehmen zu technologischen Lösungen ausgearbeitet werden. Wenn sich Politik dagegen selbst zu sehr der Technologiedebatte verschreibt, steht sie der Innovation letztendlich im Weg.
UmweltDialog:
Und wie werden
diese Rahmenbedingungen, etwa beim Klimaschutz, künftig ausfallen?
Höltschl: Der Ausgang des Klimagipfels in
Kopenhagen sollte uns nicht irritieren. Meiner Einschätzung nach war Kopenhagen
eine Machtdemonstration der USA und Chinas. Vielleicht auch eine Ohnmachtsdemonstration
Europas. Wir bei der BMW Group werden deshalb keineswegs nachlassen. Im
Gegenteil: Wir werden weiterhin Gas geben, denn wahrscheinlich kommen später
dann strengere Regeln. Wir wollen daher an den Lösungen weiterarbeiten, auch
wenn die Politik nicht ganz so schnell ist.
UmweltDialog:
Und das machen Sie
seit Jahren sehr erfolgreich! Erst dieser Tage haben Sie wieder eine
Auszeichnung für Ihr CSR-Mangement erhalten. Wie sehen andere Sie?
Höltschl: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir zum
5. Mal in Folge vom Dow Jones Sustainable Index als Branchenleader
ausgezeichnet wurden. Wir schauen auch sehr genau auf den FTSE4Good Index sowie
das Carbon Disclosure Project (CDP), wobei man hier sagen muss, dass das CDP
eigentlich nicht Nachhaltigkeitsleistung bewertet, sondern die Vollständigkeit
der Berichterstattung. Oekom Research ist uns sehr wichtig und wertvoll, weil
dieses Rating aus unserer Sicht eine hohe analytische Tiefe hat. Schließlich
haben wir uns intensiv mit dem Thema Sustainable Value auseinandergesetzt, weil
es in meinen Augen zur Zeit die einzige Methode ist, die am Ende einen echten,
vergleichbaren Wert in Euro generiert. All das liefert uns wiederum einen Input
für unseren Strategie-Review und das Ableiten weiterer Maßnahmen zur Substanzbildung.
Unser Grundprinzip ist nämlich, dass wir zuvorderst eine gute Substanz haben
und danach erst die Kommunikation dessen erfolgt.
UmweltDialog: Dennoch. Nobody is perfect. Wo sehen Sie bei der BMW Group Optimierungspotenziale? Wo sind andere besser?
Höltschl: Nobody is perfect ist ein gutes Stichwort. Wir sagen: Wir sind nirgends perfekt! Wir wissen ganz genau, dass es überall Verbesserungspotenziale gibt. Wir wollen uns nicht auf unseren Ergebnissen ausruhen, sondern fragen uns stets: Was packen wir als Nächstes an?
UmweltDialog:
Wie messen Sie
Sozialstandards?
Höltschl: Wir diskutieren sehr konkret Human
Capital Management Indikatoren. Hier suchen wir vergleichbare Standard wie im
Umweltbereich. Bei der sozialen Nachhaltigkeit ist uns klar, dass es nicht
alleine relevant ist, wie man sich im Branchenvergleich darstellt, sondern wir
schauen nach Best Practice Ansätzen im gesamten Industriesektor.
UmweltDialog: Beim Thema branchenübergreifender Normen, etwa als
ISO-Standard, sind Viele aber eher zurückhaltend.
Höltschl: Um es ganz offen zu sagen: Auch wir sind
davon nicht überzeugt. Wenn man über Managementsysteme und Normen spricht, ist
man immer ein Stück weit beim Thema Bürokratie und Formalismen. Das wiederum
weckt beim Manager nicht so viele Emotionen wie eine Verankerung im
strategischen Kontext. Wir haben mit Qualitäts-, Arbeitsschutz- und
Umweltschutz-Managementsystemen die Dinge alle im Griff. Die Kür aber ist
Zukunftsfähigkeit und deren Gestaltung. Diese Räume möchte ich persönlich eigentlich
nicht über immer weiteren Ausbau von Bürokratie einengen.
UmweltDialog: Zuletzt ein Blick nach vorne: Was sind Ihre nächsten wichtigen Meilensteine?
Wenn Sie nach Schwerpunkten in der nahen Zukunft fragen, dann ist das im sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Wir wollen eine noch intensivere Einbeziehung der Mitarbeiter, der Lieferanten und vor allem der Händler. Wir stellen nämlich fest, dass sich immer mehr Kunden nicht nur für das Produkt interessieren, sondern auch danach fragen, wie und wo die Fahrzeuge hergestellt werden und wie wir mit den beteiligten Menschen umgehen.
UmweltDialog: Herzlichen Dank für das Gespräch!