Produktion

Nicht nur Bio: Emils Feinkost ganz ohne Zusatzstoffe

Keine Zusatzstoffe! Unter diesem Motto haben zwei Jungunternehmer aus Stuttgart Salatdressings entwickelt, die sich über ihren Geschmack definieren wollen und damit nicht dem gängigen preisbasierten Muster der Lebensmittelindustrie folgen. Mit ihrer Vorstellung von natürlichen Produkten und Verfahrenstechniken grenzen sich die beiden Gründer auch vom klassischen Biosektor ab, der immerhin noch 47 Zusatzstoffe erlaubt. UmweltDialog sprach mit Jens Wages, Geschäftsführer Emils Feinkost, über Bio, Produktionsmethoden und die Schwierigkeiten bei einer Gründung im Lebensmittelsektor.

18.01.2013

Mit natürlichen Zutaten zum Erfolg. Die Gründer von Emils Feinkost: Michael Wiese und Jens Wages. Foto: Emils Feinkost
Mit natürlichen Zutaten zum Erfolg. Die Gründer von Emils Feinkost: Michael Wiese und Jens Wages. Foto: Emils Feinkost
UmweltDialog: Herr Wages, Sie haben gemeinsam mit Ihrem Geschäftspartner Michael Wiese ein eigenes Unternehmen gegründet. Können Sie unseren Lesern sagen, worum es dabei geht?

Jens Wages: Wir kommen beide aus dem Dienstleistungsbereich und haben erkannt, dass Menschen, die viel arbeiten, großes Interesse an gesunder Ernährung haben aber oft nicht die Zeit selber zu kochen. Daher nimmt der Bedarf an Convenienceprodukten weiter zu. Der Markt bietet aber nichts, das wirklich hoch- und vollwertig im Sinne von einer gesunden Ernährung ist.

Wir haben uns vorgenommen, für diese Zielgruppe etwas anzubieten, dass Convenience mit Gourmetqualität verbindet. Uns ging es dabei von Anfang an um den Verzicht auf Zusatz- und Füllstoffe, wie Wasser oder Zucker, um letztendlich das Produkt so hochwertig wie möglich zu machen.

UD: Sie haben sich dann für die Herstellung von Salatdressings entschieden. Warum gerade die Lebensmittelbranche? Warum gerade dieses Produkt?

Wages: Das Produkt gab es eigentlich schon vorher. Michael Wiese und ich kennen uns bereits aus gemeinsamen Zivildienstzeiten. In der Zeit haben wir viel gemeinsam gekocht und vieles ausprobiert - unter anderem auch das Salatdressing. Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass das Rezept unseres Dressings immer wieder nachgefragt und dann auch weitergegeben wurde. 2006 oder 2007 gab es dann das Aha-Erlebnis: Ich war zum Essen eingeladen bei Menschen, die ich vorher nicht kannte, und plötzlich stand unser Salatdressing auf dem Tisch.

Wir haben uns damals gedacht, wenn Mütter unser Rezept kopieren, dann hat man den Markttest eigentlich schon bestanden. Mütter wollen ja schließlich das Beste für ihre Familie und ihre Gäste, und wenn die unser Rezept kopieren, dann ist das Produkt so gut, dass es auch verkauft werden könnte. Damit standen wir dann allerdings vor der Frage, wie wir unser Dressing - ohne Abstriche bei Qualität oder Geschmack - produzieren können, um es in Flaschen abzufüllen.

UD: Auf ihrer Webseite betonen Sie, dass Sie keine Zusatzstoffe für die Produktion der Dressings verwenden. Schließt ein Bio-Label diese Stoffe nicht grundsätzlich aus?

Wages: Nein, die Bioverordnung ist eine EU-Verordnung, die die knapp 300 in Deutschland zugelassenen Zusatzstoffe auf etwa 47 reduziert. Damit gibt es weiterhin Konservierungsstoffe und Verdickungsmittel, die auch im Biobereich zugelassen sind. Unter anderem sind das Zitronensäure, Guarkernmehl oder Xanthan, um nur die Populärsten zu nennen. Das sind alles Stoffe, die in einem Haushalt so nicht vorkommen und deren Funktion nichts anderes ist, als stabile Emulsionen herzustellen, um möglichst viel Wasser verwenden zu können. Unser Ansatz ist dagegen, nur Zutaten zu verwenden, die man auch aus der eigenen Küche kennt.

UD: Warum ist Ihnen die natürliche Produktion Ihrer Produkte so wichtig?

Wages: Mittlerweile können wir beobachten, dass viele Menschen allergisch auf bestimmte Stoffe reagieren, was auch damit zu tun hat, dass diese in natürlicher Nahrung eigentlich nicht vorkommen. Bei Zitronensäure denken viele Verbraucher ja noch an den Saft einer frisch ausgepressten Zitrone, in Wirklichkeit wird die aber rein synthetisch auf Schimmelpilzen hergestellt. Dass die Menschen heute zum Teil gar nicht mehr wissen, auf was sie mit einer Unverträglichkeit reagieren, liegt auch daran, dass mittlerweile in fast jedem Produkt Zucker, Verdickungsmittel und Konservierungsstoffe enthalten sind.

Darüber hinaus hat das natürlich auch etwas mit dem Geschmack zu tun. Wenn sie zuhause ein Dressing herstellen, dann verwenden sie ja auch natürliche Zutaten und erhalten dadurch den vollen Geschmack. Erst wenn sie, wie es die Industrie tut, mit 50 Prozent Wasser arbeiten würden, um den Preis niedrig zu halten, brauchen sie Verdickungsmittel für die Konsistenz und Geschmacksverstärker wie Hefeextrakt für den Geschmack. Wir glauben, dass diese Stoffe nicht nur krank machen, sondern auch den Genuss einschränken.

UD: Wie erreichen Sie die vom Lebensmitteleinzelhandel geforderten Haltbarkeitszeiten?

Wages: Das ist in der Tat eine Hürde, die wir uns selber eingebaut haben. Letztendlich lösen wir das, indem wir nur Zutaten verwenden, die von sich aus eine relativ lange Haltbarkeit haben: Öle, Essige, Honig sind alles Dinge, die sie auch zuhause größtenteils ungekühlt lange lagern können. Zweitens verzichten wir komplett auf den künstlichen Zusatz von Wasser. Wasser ist zwar billig, ist aber auch die ideale Plattform für die Vermehrung von Keimen.

Darüber hinaus gibt es natürlich Einschränkungen aus der Chemie- und Lebensmittelhygiene, die unsere Großeltern aber schon vor Jahrzehnten auf natürliche Weise gelöst haben: Indem man den pH-Wert unter gewisse Werte senkt, schafft man eine unwirtliche Atmosphäre für alle Keime und Krankheitserreger. Essiggurken werden ja auch nicht nur deshalb in Essig eingelegt, um einen netten Geschmack zu erreichen, sondern auch um die natürliche Haltbarkeit des Lebensmittels zu erhöhen. Dadurch, dass wir bereit waren, an diesen Stellen etwas auszuprobieren, können wir unsere Produkte haltbar machen, wie es bereits unsere Omas vor der Erfindung von Konservierungsstoffen gemacht haben.
"Back to the Roots". Emils Honig-Senf-Dressing. Foto: Emils Feinkost
"Back to the Roots". Emils Honig-Senf-Dressing. Foto: Emils Feinkost
UD: Das heißt, Sie verfolgen bei der Produktion schon den Ansatz „Back to the Roots“?

Wages: Auf jeden Fall. Wir versuchen durch den konsequenten Verzicht auf bestimmte Dinge, die Hochwertigkeit der Zutaten und ein bisschen Nachdenken einen Punkt zu erreichen, an dem Zusatzstoffe unnötig werden. Dabei hilft es immer sich zu überlegen, wie die Probleme früher gelöst wurden. Vieles ist heute schon fast vergessen, da die moderne Chemie es mitunter praktischer erscheinen lässt, Lebensmittel mit ein paar Tropfen aus der Flasche zu konservieren. Dabei leidet aber auch immer der Geschmack und die Qualität.

UD: Sie hatten erwähnt, dass sowohl Sie als auch Herr Wiese aus der Beraterbranche kommen und sich dann ohne größere Vorkenntnisse in der Lebensmittelbrache selbstständig gemacht haben. Vor welchen Problemen standen Sie, nachdem die Entscheidung gefallen war, ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen?

Wages: Es gab natürlich eine Reihe von Problemen: Das erste war sicherlich die Frage, wie kommen wir an das Wissen, das für unsere Vorstellungen nötig ist. Wir haben uns damals mit Experten von der Universität Hohenheim getroffen, die uns aber von vornherein abgeraten haben. Das liegt vor allem daran, dass die Lebensmittelindustrie und auch die sie beratenden Universitäten mittlerweile komplett auf Effizienz ausgerichtet sind. Das geht so weit, dass einige der handelnden Personen stolz darauf sind, Tomatenketchup heute ohne Tomaten herstellen zu können. Das Wissen, das wir gesucht haben - das „Oma-Wissen“, von dem ich eben schon sprach - ist in der heutigen Lebensmittelforschung gar nicht mehr vorgesehen.

Ein weiteres wichtiges Problem war unsere Größe: Sie finden heute nur ganz schwer Lieferanten, wenn Sie geringe Stückzahlen produzieren. Das heißt, wir mussten bei der Zusammenstellung unserer Zulieferer praktisch bei Null anfangen und uns Partner suchen, die bereit waren, an unsere Idee zu glauben und mit uns zu wachsen.

Deutschland bezeichnet sich immer als so innovationsfreudig, letztendlich gilt das in der Lebensmittelbranche aber nur für Unternehmen, die von Anfang an große Stückzahlen produzieren können. Der Lebensmittelmarkt und auch der Biosektor hat seine ganz eigenen Gesetze mit Groß- und Einzelhändlern, die alle eigene Interessen verfolgen. Da quer einzusteigen, ohne das ganze Verteilernetz schon im Rücken zu haben, hat uns immer wieder vor logistische Probleme gestellt.

UD: Seit Herbst vergangenen Jahres werden Sie von der Sustainable Business Angels (SBA) Initiative gefördert. Dabei beraten Sie erfahrene Unternehmer wie Peter Kowalsky, Gründer von Bionade, und Jürgen Schmitt, Gründer der memo AG. Welche Impulse erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit mit den beiden SBAs?

Wages: Durch die Initiative haben wir jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit, durch erfahrene Bio-Pioniere Ratschläge für unsere konkrete Situation zu bekommen. Für uns ist dabei ganz wichtig, dass sowohl Peter Kowalsky als auch Jürgen Schmidt Pioniere sind, die sich mit Bio beschäftigt haben, als es noch nicht in Mode war und diese Art zu wirtschaften damit auch nicht als PR-Maßnahme begreifen. Man merkt auch in Gesprächen mit den beiden sehr schnell, dass ihr Einsatz für dieses Thema von Herzen kommt und ihrer Überzeugung entspricht. Ich glaube daher, dass wir von ihren Erfahrungen, von ihren Fehlern und auch von der Weitsicht, die sich beide in den vergangenen Jahren erarbeitet haben, sehr profitieren werden.
2012 wurde Emils Feinkost zur Biomarke des Jahres in Bronze gewählt. Foto Emils Feinkost
2012 wurde Emils Feinkost zur Biomarke des Jahres in Bronze gewählt. Foto Emils Feinkost
UD: 2012 wurde Emils Feinkost von Fachjournalisten und Unternehmern zu Biomarke des Jahres in Bronze gewählt. Gleichzeitig können Kunden Ihre Produkte in immer mehr Läden in Deutschland kaufen. Welche Entwicklungen erwarten Sie für das Jahr 2013?

Wages: Natürlich hoffen wir auf Wachstum in dem Sinne, dass unsere Produkte an Vielfältigkeit gewinnen und auch die Verbreitung unseres Angebotes erhöht wird. Dadurch, dass wir jetzt bei „Alnatura“, „denn’s“ aber auch in sehr vielen kleinen und großen Läden vertreten sind, haben wir es 2012 überhaupt erst einmal geschafft, unsere Dressings deutschlandweit anbieten zu können. Trotzdem sind wir momentan noch ein relativ unbekanntes Nischenprodukt. Menschen, die Lebensmittel kaufen möchten, wie wir sie herstellen - also frei von Zusatzstoffen und in einer einzigartigen Qualität - wissen häufig noch gar nicht, dass es Convenienceprodukte in diesem Segment gibt.

Unser größtes Problem ist daher unsere Platzierung in den Biomärkten, die uns klassisch neben all den anderen Produkten anbieten, die nicht auf Zusatzstoffe verzichten. Das führt dann dazu, dass Kunden uns oftmals gar nicht finden, da sie die Regale, in denen unser Sortiment steht, generell meiden. Wir hoffen daher auch, dass die Diskussion in Deutschland, die langsam beginnt und die Schädlichkeit von Zucker und Zusatzstoffen thematisiert, weiter an Fahrt aufnimmt und unsere Produkte so auch mehr Aufmerksamkeit bekommen.

UD: Sie haben den Preis schon angesprochen. Schaut man sich Ihr Produkt im Biomarkt an, dann hebt es sich da nicht nur durch die Abwesenheit von Zusatzstoffen ab, sondern auch durch die Kosten für die Kunden. Würden Sie sagen, dass Emils ein Luxusprodukt ist?

Wages: Ich glaube, dass der Preis bei der Qualität der Zutaten absolut angemessen ist. Natürlich ist es in gewisser Weise Luxus, wenn Menschen sagen, ich stelle mein Dressing jetzt nicht selber her, sondern kaufe ein außergewöhnliches Produkt. Unsere Kunden haben häufig nicht die Zeit und manchmal auch nicht die Lust, Dinge auszuprobieren - für solche Menschen ist es natürlich ein Luxus, dass es eine gute Alternative quasi schon konsumfertig gibt.

Was den Preis angeht, glaube ich, dass in Deutschland auch die Diskussion geführt werden muss, welchen Wert gutes Essen oder eine gute Ernährung hat. Mein Lieblingsvergleich ist das Auto: Hier bei uns im Schwäbischen ist das ja ein heißes Thema. Die Leute gießen in ihren Mercedes, ihren Porsche oder ihren Audi das teuerste Öl für 16 Euro den Liter und in sich selber das Billigöl für 69 Cent. Da muss man sich auch mal Fragen, was den Leuten wirklich wichtig ist. Wir verwenden zum Beispiel nur kalt gepresste Öle, die besonders gesund für den eigenen Kreislauf sind. Wir kaufen unseren Biohonig nicht in Brasilien, sondern beim Bio-Imker in Bayern, und halten somit auch die Wege kurz und unterstützen lokale Produzenten. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass unsere Produkte ja wirklich noch in Handarbeit hergestellt werden, ist ein anderer Preis gar nicht darstellbar.

UD: Auf welche neuen Produkte können sich Ihre Kunden denn in der Zukunft freuen?

Wages: Wir haben tatsächlich einige neue Produkte in der Pipeline, die momentan im Labor sind. Michael Wiese und ich haben aber in der Vergangenheit schon häufiger neue Produkte angekündigt, weil wir beide ganz euphorisch waren. Und nicht aus allen Ideen ist anschließend auch was geworden. Deswegen haben wir beschlossen, nur noch dann neue Produkte anzukündigen, wenn wir sie auch wirklich einführen. Durch unsere Produktionsmethoden braucht es oftmals einfach etwas länger, bis Haltbarkeit, Geschmack und Vertriebsmöglichkeiten überprüft werden können.  

UD: Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute und bedanken und für das Interview.


Sustainable Business Angels


Seit Oktober wird "Emils Feinkost" auch durch die nichtkommerzielle "Sustainable Business Angels Initiative" gefördert. Im Rahmen eines zwölfmonatigen Programms erhält das Unternehmen dabei Unterstützung durch zwei verantwortungsvolle Unternehmer - in diesem Jahr Peter Kowalsky (Gründer von Bionade) und Jürgen Schmidt (Gründer der memo AG) - und beteiligen sich an der Entwicklung von Guidelines für nachhaltige Jungunternehmen. Die Initiative Sustainable Business Angels wird durch den Europäischen Sozialfonds und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.

Zur SBA-Initiative

Quelle: UD
 
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