Cybermobbing: Politik und Unternehmen in der Pflicht
Hass und Beleidigungen im Internet gehören für viele zum Online-Alltag – mit zum Teil weitreichenden Folgen. Diverse Gesetze für das Verhalten im Netz sollen den Nutzerinnen und Nutzern online mehr Rechtssicherheit geben. Doch auch Unternehmen können sich aktiv gegen Hate Speech engagieren. Wie das geht, zeigen O2 Telefónica Deutschland und die Deutsche Telekom.
16.11.2023
„Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“. Das sagte, laut einer Recherche von Spiegel online bereits 1996 der damalige Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers in der Frankfurter Rundschau, als das Multimediagesetz vorbereitet wurde. Zahlreiche ähnliche Äußerungen von anderen Politiker:innen folgten im Laufe der Jahre. Dieser oft verwendete Satz stellt fest, was ohnehin schon gilt: Wer hierzulande online unterwegs ist, muss sich auch dort an das deutsche Recht halten. Alle bestehenden Regeln wie das Straf- und Zivilrecht sind auch im Internet anwendbar, informiert das psychologische Institut der Uni Heidelberg: „Der Cyberspace ist weder staats- noch rechtsfrei, denn die Orte, an denen Informationen eingegeben und gelesen werden, unterliegen den normalen Regeln.“
Hate Speech: Vor allem Jüngere betroffen
Trotzdem sind gerade in den sozialen Medien Hass, Desinformation, Cybermobbing und Beleidigungen an der Tagesordnung, zeigt eine aktuelle forsa-Umfrage. 76 Prozent der Befragten ist schon einmal Hate Speech im Internet begegnet. Vor allem die Jüngeren nehmen mehr Hassrede online wahr und sind häufig auch selbst davon betroffen. Rund 40 Prozent der 14- bis 24-Jährigen, denen Hassrede online begegnet ist, waren schon einmal Opfer davon.
Welche Folgen Cybermobbing für Kinder und Jugendliche haben kann, hat die Studie „Cyberlife IV – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern“ festgestellt. Befragt wurden, neben Eltern und Lehrenden, Heranwachsende zwischen acht und 21 Jahren. 40 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen reagieren auf Beleidigungen im Netz mit Wut, etwa ein Drittel ist verängstigt. Manchmal bleibt es nicht nur bei emotionalem Schaden. Fast ein Viertel der Befragten gab an, schon einmal Suizidgedanken gehabt zu haben und rund 15 Prozent griffen sogar zu Alkohol, Tabletten oder Drogen. „Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt hat. Die Folgen von Cybermobbing werden in unserer Gesellschaft immer noch unterschätzt und die Täterinnen und Täter müssen mit keinen Konsequenzen rechnen“, kommentiert Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing, das an der Studie beteiligt war.
Gesetzliche Regelungen sollen helfen
Um dem (und weiteren Online-Straftaten) einen Riegel vorzuschieben, wurden in den vergangenen Jahren sowohl in Deutschland als auch EU-weit zusätzliche Gesetze erlassen, die speziell das Verhalten im Netz regeln. Dazu gehören zum Beispiel die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Letzteres verpflichtet die Betreiber von Sozialen Medien wie Facebook, TikTok, X (ehemals Twitter) und Co. dazu, strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einer Beschwerde zu löschen.
Dann gibt es noch den Digital Services Act (DSA). Dieser soll das Markverhalten von digitalen Anbietern grundsätzlich regeln und den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Rechtsschutzmöglichkeiten bieten. Große Unternehmen wie zum Beispiel Google und Amazon müssen dem Gesetz bereits seit August 2023 nachkommen, für kleinere Firmen gilt der DSA ab Februar 2024. Unternehmen werden unter anderem dazu verpflichtet, online intensiver gegen illegale Handlungen vorzugehen und ihre Transparenz zu stärken. Gemeinsam mit dem Digital Markets Act soll es „zu einer Art Grundgesetz für das Internet werden“, informiert die Verbraucherzentrale. „Soziale Netzwerke haben der massenhaften Verbreitung von Hass und Hetze eine Plattform gegeben. Mit dem Digital Services Act haben wir erstmalig ein EU-weites Gesetz, das versucht, Facebook, X (ehemals Twitter) und Co. die Stirn zu bieten“, erklärt Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens HateAid, das sich gegen Hass im Netz einsetzt: „Wir werden ganz genau hinschauen, wie die sozialen Netzwerke die neuen Verpflichtungen umsetzen. Für uns ist klar: Sollten die Maßnahmen nicht fruchten, werden wir von der EU Nachschärfungen für einen effektiven Schutz vor digitaler Gewalt einfordern.“
Unternehmen in der Pflicht
Doch auch Unternehmen werden dazu angehalten, sich aktiv gegen Hate Speech stark zu machen. Denn sie können „durch ihr Engagement gegen Desinformationen und Hate Speech nicht nur ihr eigenes Geschäft schützen, sondern darüber hinaus auch soziale Verantwortung übernehmen“, heißt es in dem Whitepaper „Klare Kante gegen Desinformation und Hate Speech!“, das von der Corporate Digital Responsibility-Initiative (CDR) veröffentlicht wurde. Zum einen könnten Unternehmen, ihre Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden selbst das Ziel von Hate Speech sein. Zum anderen könne sich auch eine mittelbare Betroffenheit über die Lieferkette ergeben: „Wer z. B. Social-Media-Werbung platziert, sollte seine Einflussmöglichkeiten auf Desinformation und Hate Speech bei den entsprechenden Plattformen prüfen und seine Verantwortlichkeit bewerten“, finden die Autorinnen und Autoren des Whitepapers und geben Firmen in einem Ressourcenatlas auch Handlungsoptionen und weitere Informationsquellen an die Hand.
Telefónica „WAKEUP!“
Wie ein Unternehmen sich konkret gegen Hate Speech engagieren kann, zeigt unter anderem O2 Telefónica Deutschland. Mit seiner „WAKEUP!“-Initiative will der Telekommunikationsanbieter, gemeinsam mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) und weiteren Partnern, die digitale Souveränität von Kindern und Jugendlichen stärken. „Das Internet birgt viele Chancen, aber auch Gefahren für junge Menschen“, sagt Claudia von Bothmer, Leiterin Corporate Responsibility bei Telefónica Deutschland. „Wo die nötige Medienkompetenz fehlt, fühlen sich Jugendliche bei Online-Angriffen oft überfordert und alleine gelassen. Als Telekommunikationsunternehmen sehen wir uns in der Verantwortung, Jugendliche und ihre Schulen bei der Präventionsarbeit zu unterstützen.“
Auf der Website von „WAKEUP!“ gibt es eine sechsteilige Webserie, in der Interessierte erfahren, welche Formen es von Cybermobbing gibt und wie sie zu einem respektvollen Umgang im Netz beitragen können. Die sogenannten eduStories bieten ebenfalls grundlegende Informationen zum Thema. Sie geben spielerisch erste Handreichungen zum richtigen Umgang mit Cybermobbing. Im Fokus der eduStories steht die interaktive Kompetenzentwicklung. Ergänzt wird das Angebot auf der Website durch ein Unterrichtsmodul, das Lehrerinnen und Lehrer für ihren Unterricht nutzen können. Alle Inhalte sind kostenlos und öffentlich zugänglich.
Darüber hinaus veranstaltet O2 Telefónica zudem regelmäßig Basecamps und Workshops in Schulen zum Thema. Mitte November fand beispielsweise Deutschlands größte Schulstunde gegen Cybermobbing im O2 Tower in München statt. Drei Schulklassen aus München waren vor Ort und rund 7.000 Schülerinnen und Schüler online zugeschaltet. Die Kinder und Jugendlichen lernten dort, durch Interviews von Betroffenen und Workshops, welche Folgen Hass im Netz haben kann und wie man sich verhält, wenn man selbst oder eine Freundin oder ein Freund davon betroffen ist. Am Vorabend der Veranstaltung gab es zudem eine Infoveranstaltung für die Eltern.
Deutsche Telekom: Gegen Hass im Netz
Auch die Deutsche Telekom ist sich ihrer Verantwortung bewusst und setzt sich aktiv gegen Cybermobbing und Hate Speech ein. Bereits seit mehreren Jahren macht sich das Unternehmen mit der Kampagne „Gegen Hass im Netz“ für ein faires Miteinander im Internet stark. Im Fokus stehen dabei die unterschiedlichsten Themenfelder, die in verschiedenen Formaten präsentiert werden. Dazu gehören zum Beispiel Spots im TV und online. In den #DABEI-Geschichten erfahren Interessierte mehr über die digitale Welt. Die Geschichten befassen sich unter anderem mit Hass im Bereich Gaming, digitaler Zivilcourage oder auch mit digitaler Demokratie. Bei „Teachtoday“ wiederum geht es um das Erlernen von Medienkompetenz für Kinder im Alter von neun bis zwölf, und der Podcast „Digital Crime“ beschäftigt sich mit Straftaten im Internet und wie man damit umgehen kann.