Zertifikate & Siegel

Gebäudezertifizierung für nachhaltiges Bauen

Ob bei Neubauten oder bei Sanierungen: Angesichts von globalen Entwicklungen wie Klimawandel, knapper werdenden Ressourcen und demografischem Wandel gewinnt Nachhaltigkeit in der Baubranche zunehmend an Bedeutung. Zur Förderung des nachhaltigen Bauens in Deutschland und weltweit wurden Zertifizierungssysteme entwickelt, die die ökologische, soziale und ökonomische Qualität von Gebäuden bewerten. Grundlage für die Berechnung der ökologischen Nachhaltigkeit sind sogenannte Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs, Environmental Product Declaration), wie sie das Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) veröffentlicht.

14.03.2016

Gebäudezertifizierung für nachhaltiges Bauen zoom

Laut IBU sind Bauen und Wohnen für etwa 50 Prozent der weltweiten Ressourceneinsätze sowie einen Großteil des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen verantwortlich. Das fängt bei der Entnahme der Rohstoffe und deren Weiterverarbeitung an, geht über den Neubau von Gebäuden oder Umbau- und Sanierungsmaßnahmen, die Versorgung der Gebäude mit Wärme und Licht bis hin zu der Entsorgung der Abfälle. Die Baubranche setzt sich deshalb verstärkt für einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen, Energie und für den Klimaschutz ein und spielt somit eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der im Herbst 2015 verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungsziele. „Baustoffhersteller wie auch der gesamte Bausektor sind sich ihrer Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung sehr bewusst und beteiligen sich aktiv daran, die weltweiten Ressourcen effizient einzusetzen“, sagt Dr. Burkhart Lehmann vom Institut Bauen und Umwelt e.V. Das IBU ist eine freiwillige Vereinigung von Baustoffherstellern aus allen Bereichen der Baustoffindustrie – von mineralischen über metallische, und chemische Baustoffe bis hin zu Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen –, die sich seit über 30 Jahren für umweltverträgliches Bauen stark macht. Mit den EPDs betreibt die Organisation, die mittlerweile fast 200 Mitglieder umfasst, ein transparentes Informationssystem, das als Datengrundlagen für die ökologische Säule der Nachhaltigkeitszertifizierung von Bauwerken dient.

Von BREEAM bis LEED: Gebäudezertifizierung weltweit

International haben sich verschiedene Gebäudezertifizierungssysteme etabliert. Sie bewerten Gebäude anhand eines bestimmten Kriterienkatalogs sowohl nach ökologischen als auch nach ökonomischen und sozialen Aspekten, gewichten diese aber unterschiedlich und greifen auf die jeweiligen landestypischen Standards und Vorschriften zurück.

Die älteste und weltweit am meisten verbreitetste Methode ist die Building Research Establishment Environmental Assessment Method (BREEAM). Sie wurde 1990 vom Building Research Establishment in England auf den Markt gebracht und bezieht insbesondere die Kriterien Management, Energie, Wasser, Landverbrauch und Ökologie, Gesundheit und Wohlbefinden, Transport, Material und Verschmutzung bei der Bewertung von Sanierungen und Neubauten ein. Je nach Erfüllungsgrad werden Gütesiegel in den Abstufungen "Ausgezeichnet", "Sehr gut", "Gut" oder "Durchschnittlich/Bestanden" vergeben. Nach BREEAM wurden weltweit bereits über 200.000 Bauten zertifiziert.

Auf BREEAM basierend entwickelte der US Green Building Council im Jahr 1998 das Zertifizierungssystem Leadership in Energy and Design (LEED). Der Kriterienkatalog umfasst die Bereiche Nachhaltiger Grund und Boden, Wassereffizienz, Energie und Atmosphäre, Materialien und Ressourcen, Innenraumqualität sowie Innovation und Designprozess. Eine Besonderheit von LEED sind die Vorbedingungen: Sollten bestimmte Mindestanforderungen – wie zum Beispiel die Verringerung negativer Umweltauswirkungen durch Baustellenaktivitäten oder aber die Berücksichtigung von Recyclingmöglichkeiten bei der Entsorgung – nicht erfüllt werden, ist eine Zertifizierung von vorne herein ausgeschlossen.

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Gebäudezertifizierung in Deutschland: DGNB, BNB und NaWoh

In Deutschland gibt es seit 2009 das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB). Das Zertifizierungssystem entstand als Gemeinschaftsprojekt des Bundesbauministeriums und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Gemeinsames Ziel war es, nachhaltiges Bauen in all seinen Facetten, d.h. unter Einbeziehung ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte, und über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg zu fördern. Dabei sollten insbesondere deutsche Normen und Regelungen berücksichtigt werden.

Nach einer Pilotphase, in der das Zertifizierungssystem erfolgreich erprobt wurde, trennten sich die Wege der Kooperationspartner. Auf Basis des gemeinsam erarbeiteten Systems führte das Bundesbauministerium ein eigenes Bewertungssystem fort: das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesbauten (BNB). Während das DGNB Zertifikat von privaten Bauherren angewendet wird, gilt die BNB-Zertifizierung für öffentliche Bundesbauten und ist ab einer Investitionssumme von zwei Millionen Euro gesetzlich verpflichtend. Dabei ist die Qualitätsstufe Silber des Bewertungssystems BNB als Mindeststandard einzuhalten.

Mit Blick auf die Bewertung weisen DGNB und BNB grundlegende Gemeinsamkeiten auf: Beide lassen die Hauptkriteriengruppen ökologische Qualität, ökonomische Qualität, soziokulturelle und funktionale Qualität, technische Qualität, Prozessqualität sowie Standortqualität in die Bewertung einfließen, wobei dem Standort eine besondere Bedeutung zukommt. Für jedes Kriterium sind die Messmethode und die Benchmarks in Kriteriensteckbriefen genau definiert. Hier unterscheiden sich DGNB und BNB wiederum voneinander. Je nach Gesamterfüllungsgrad der Kriterien können bei beiden Systemen am Ende der Zertifizierungsphase die Qualitätsstandards Gold, Silber oder Bronze erreicht werden.

Beide Systeme stellen zudem schon in der frühen Planungsphase die Weichen für die künftige Qualität des Gebäudes. So legt der Bauherr bereits im Vorfeld fest, welchen Standard er mit Blick auf das jeweilige Zertifizierungssystem erreichen will. Vor der endgültigen Prüfung und der Vergabe des Zertifikats werden die Fortschritte kontinuierlich beobachtet und ggf. Nachbesserungen durchgeführt.

Das Qualitätssiegel Nachhaltiger Wohnungsbau (NaWoh) ist ebenfalls an das DGNB-System angelehnt. Es ist jedoch kompakter und rechnet sich dadurch auch für typische Anwender des Wohnungsbaus wie Wohnungsbaugesellschaften und -Genossenschaften. Das NaWoh-Bewertungssystem wurde in der AG Nachhaltiger Wohnungsbau entwickelt, findet seit 2012 auf freiwilliger Basis Anwendung und ist auf die Bedürfnisse des Wohnungsneubaus zugeschnitten. Es enthält sowohl zu beschreibende als auch zu bewertende Kriterien, deren Vollständigkeit bzw. Einhaltung extern geprüft wird. Hier liegt eine Besonderheit des Qualitätssiegels NaWoh, das der Vollständigkeit der Angaben größere Bedeutung beimisst als der Höhe der Ziele.

Im Schwerpunktbereich "Wohnqualität" werden zum Beispiel Kriterien wie die funktionale Qualität der Wohnungen, Barrierefreiheit, Stellplätze, Freiflächen, thermischer und visueller Komfort, die Raumluftqualität, die Sicherheit etc. bewertet. Neben einer ausführlichen Behandlung des Bereichs "Wohnqualität" zeichnet sich das NaWoh-Bewertungssystem durch eine besondere Berücksichtigung der "Technischen Qualität", "Ökologischen Qualität", "Ökonomischen Qualität" und "Prozessqualität" aus, die ihrerseits wiederum in Teilindikatoren untergliedert sind. Die Einbeziehung der ökonomischen Nachhaltigkeit auch aus Sicht des Bauherrn sowie "die Herstellung eines methodischen Zusammenhangs zwischen Gebäudestandort und Umfeld einerseits sowie den planerischen und baulichen Reaktionen auf Standort und Umfeld andererseits" spielen dabei eine besondere Rolle, wie es auf der Webseite des Vereins zur Förderung der Nachhaltigkeit im Wohnungsbau heißt.

Neben den britischen, US-amerikanischen und deutschen Gebäudezertifizierungssystemen gibt es viele weitere Methoden: so etwa das französische HQE (Haute Qualité Environnementale) aus dem Jahr 2004, das australische Green Star-System, das seit 2003 besonders umweltfreundliche Büro- und Gewerbebauten auszeichnet, sowie das asiatische Casbee (Comprehensive Assessment System for Building Environmental Efficiency), das 2001 in Japan eingeführt wurde.

Vorteile der Gebäudezertifizierung

Alle Bewertungssysteme bieten Bauherren vor dem Hintergrund steigender Anforderungen seitens Politik, Nutzern und Investoren unter anderem den Vorteil, die Nachhaltigkeit ihres Gebäudes vergleichbar nach außen darstellen zu können und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit und Vermarktungschancen zu verbessern. Gebäudenutzern bieten die Zertifizierungen vor allem Informationen: entweder auf einfachem Weg über die Gesamtbewertung oder aber in Form einer differenzierten Darstellung der Ergebnisse. Die Zertifizierungssysteme werden fortwährend weiterentwickelt und an neue Anforderungen angepasst. Ein Beispiel ist die Version 2015 der DGNB: Die neu im DGNB-System eingeführte Kriteriengruppe "Mobilität" berücksichtigt zum Beispiel, ob ein Gebäude über Ladestationen für Elektroautos oder -räder verfügt und ob sich in der Nachbarschaft Car- oder Bike-Sharing-Stationen befinden.

EPDs als Voraussetzung für die ökologische Bewertung von Bauwerken

Ein wesentlicher Eckpfeiler der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden sind Umwelt-Produktdeklarationen, wie sie das IBU in Deutschland vergibt. Das EPD-Programm des IBU entspricht der Typ-III-Produktdeklaration nach ISO 14025 und EN 15804 und liefert umfassende umweltrelevante Informationen zu einzelnen, im Gebäude eingesetzten Baustoffen: So beinhalten die EPDs etwa bauphysikalische Angaben sowie Angaben zu Grundstoffen, zur Stoffherkunft, Produktherstellung und -verarbeitung, zum Nutzungszustand, zu außergewöhnlichen Einwirkungen und zur Nachnutzungsphase sowie Ökobilanzergebnisse. Zu der Beschreibung zählt so auch die Ressourcennutzung und der Beitrag eines Bauprodukts zum Treibhauseffekt, zur Versauerung, Überdüngung, Zerstörung der Ozonschicht und Smogbildung. Die Deklarationen werden unabhängig überprüft und ohne Wertung in der Datenbank des IBU oder auch der deutschen Baustoffdatenbank ÖKOBAUDAT veröffentlicht.

Weitere Informationen zu den EPDs finden Sie auf der Website des Instituts Bauen und Umwelt e.V.

Quelle: UmweltDialog
 

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