Digitalisierung + KI

Baubranche goes digital: „Grüne“ Gebäude mit BIM und EPDs

Kelle, Meißel, Wasserwaage: Wenn es um die Digitalisierung geht, denken wohl die wenigsten Menschen als erstes an die Bauwirtschaft. Doch genau die könnte von Bits und Bytes mächtig profitieren. Das Zauberwort lautet BIM und beschreibt ein Verfahren, mit dem sich Gebäude mit allen Beteiligten digital planen, bauen, betreiben lassen. Das verspricht neben Kostensenkungen auch mehr Nachhaltigkeit – perspektivisch zumindest.

17.01.2018

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Wer in der Baubranche arbeitet, kommt an BIM schon länger nicht vorbei. Die drei Buchstaben stehen für „Building Information Modeling“ und skizzieren einen Prozess, der Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmern bei der effizienten Planung, Konstruktion und Verwaltung von Gebäuden unter die Arme greift. Mit diesem Verfahren können sie Gebäude nicht nur exakt und in 3D entwerfen. Mit BIM können sie auch integrale Planung und Realisierung umsetzen, um so mögliche Kollisionen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

Effizienz- und Öko-Potenziale heben

In der Bauwirtschaft gilt BIM schon länger als zukunftsorientierte Methode. Landauf, landab wird dazu getagt, werden Pilotprogramme aufgelegt, Cluster gebildet. Immer in der Hoffnung, mit BIM die in der Digitalisierung schlummernden Effizienzpotenziale für die Bauwirtschaft zu heben. „Die Digitalisierung der Wertschöpfungskette Bau“, so Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sei „eine große Chance für die deutsche Bauwirtschaft, Kosten zu senken und auf diese Weise Produktivitätsgewinne zu erzielen“. Das sei wichtig, wenn die Branche auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben wolle.

Dass sie das will, darf man annehmen. Wettbewerbsfähigkeit entscheidet sich heute indes nicht mehr alleine an den Kosten. Auch Nachhaltigkeit spielt eine Rolle. Und BIM könnte helfen, ihr mehr Geltung zu verschaffen. „Mit BIM verfügen wir über eine Methodik, die uns beispielsweise von der Optimierung des Fensterflächenanteils über die Simulation verschiedener Belüftungssysteme bis zu Nachhaltigkeitsbewertungen von Baustoffen die Voraussetzungen für eine integrale Planung bietet“, sagt Prof. Dr. Klaus Sedlbauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP und Ordinarius des Lehrstuhls für Bauphysik an der Technischen Universität München.

Nachhaltigkeit digitalisieren

Nur: Bislang werden im Rahmen von BIM keine eigenen Daten explizit für die Nachhaltigkeit abgefragt, wie die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB, beklagt. Die DGNB hat selbst Kriterien für „grünere“ Immobilien entwickelt und verweist auf ein Forschungsprojekt des Fraunhofer IBP, in dem untersucht wurde, ob die DGNB-Kriterien überhaupt BIM-tauglich sind und tatsächlich einen Mehrwert für das Verfahren ergeben. Laut DGNB hat sich dabei herausgestellt, dass alle für eine Nachhaltigkeitszertifizierung eines Gebäudes „notwendigen Informationen direkt und automatisiert aus einem BIM-Modell entnommen werden können“.

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Wäre dies gängige Praxis, hätte das nach Einschätzung der DGNB mehrere Vorteile: Zum einen würde eine Nutzung von BIM den Arbeitsaufwand für eine DGNB-Zertifizierung stark reduzieren. Zum anderen ließen sich Qualität und Konsistenz der Nachhaltigkeitsinformationen erhöhen. Voraussetzung dafür wäre allerdings die quasi standardisierte Verknüpfung von BIM mit verlässlichen Nachhaltigkeitsdaten. Hier ist internationaler Normungsbedarf gefragt.

Ein Bauabeiter dämmt ein Gebäude.

Baubranche: Ökobilanzierung auf dem Vormarsch

Eine Datenquelle für diese Nachhaltigkeitsdaten ist die IBU.data des Instituts Bauen und Umwelt e.V. (IBU), eine Datenbank mit digitalen Umweltinformationen zu Bauprodukten. Die Umweltinformationen wurden vor Aufnahme in die Datenbank einheitlich abgeleitet und verifiziert. Über standardisierte Schnittstellen lassen sie sich direkt im Planungsprozess nutzen.

Das IBU betreibt ein Programm zur Verifizierung und Veröffentlichung von Umwelt-Produktdeklarationen (englisch: Environmental Product Declaration, kurz: EPDs) für Bauprodukte, die eine verlässliche Datengrundlage für Gebäudezertifizierungssysteme bilden, etwa für die DGNB und für das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB) oder LEED und BREEAM. Über 1.100 EPDs hat das IBU nach eigenen Angaben bereits in seiner eigenen digitalen Datenbank IBU.data veröffentlicht. Ganz ähnlich funktioniert auch ÖKOBAUDAT, eine vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) betriebene Baustoffdatenbank, die neben spezifischen EPD-Datensätzen des IBU vor allem Durchschnittsdaten für verschiedene Bauproduktgruppen enthält.

Digitale Verfügbarkeit erhöhen

„Eines unserer großen Ziele“, sagt IBU-Geschäftsführer Dr. Burkhart Lehmann, „ist es, dass die EPD-Daten so einfach wie möglich verwendet werden können, vor allem in der Gebäudeökobilanzierung“. Schließlich könnten die EPD so nicht nur durch Nutzer abgerufen, sondern auch von Software-Tools direkt ausgelesen und weiterverarbeitet werden. Und genau dies – Informationen maschinenlesbar zu machen – ist laut Lehmann „der einzig sinnvolle Weg, um sie angemessen verwenden zu können“. Dies sei Grundvoraussetzung dafür, nachhaltiger planen, bauen und wirtschaften zu können.

Derzeit beteiligt sich das IBU am InData-Netzwerk. Dieses arbeitet daran, ein europäisches digitales Netz von Datenbanken für Ökobilanzdaten von Bauprodukten mit einem einheitlichem Format (dem sogenannten ILCD+EPD) zu bilden, sodass Nutzer auf einer Plattform alle beteiligten Datenbanken durchsuchen und abrufen können. IBU.data ist hier der erste Knoten eines EPD-Programms; weitere Programmhalter aus ganz Europa unterstützen diesen Ansatz und arbeiten ebenfalls an einer Implementierung. Wie sich BIM-Standards und die notwendigen Schnittstellen in Europa entwickeln, kann Lehmann noch nicht absehen. „Aber uns ist sehr an einer Lösung mit größtmöglichem Praxisbezug gelegen“. Deshalb arbeite man derzeit unter anderem daran, EPD-Daten mit produktspezifischen BIM-Daten zu verknüpfen. Der Experte verweist außerdem auf ein neues Forschungsprojekt unter Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), das Ökobilanzwerkzeuge und Bewertungssysteme in den BIM-basierten Planungsprozess einbeziehen will. Auf etablierten Lösungen aufbauen und sie zusammenbringen – für Lehmann ist das „die Art Praxisbezug, die ich meine“.

Quelle: UmweltDialog
 

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