Digitalisierung ist eine Frage der Innovationskultur
Die Innovationskultur eines Landes bestimmt auch seinen Grad an Digitalisierung. Darüber haben sich Markus Haas, CEO von O2 Telefónica, und Achim Berg, Präsident von Bitkom, unterhalten. Was sie von der Gigabitstrategie der Bundesregierung halten und was notwendig ist, um den digitalen Wandel in Deutschland zu beschleunigen, kam ebenfalls im TecTalk von O2 Telefónica zur Sprache.
26.10.2022
„Vieles, was es im Bereich Consumer Electronics gibt, hat seinen Ursprung in Deutschland. Wir sind gerade in gegenständlichen Innovationen großartig. Nur haben wir es verpasst, diese Innovationen weiter in die digitale Welt zu denken und hierfür Dienste und Services zu entwickeln“, sagte O2 Telefónica-CEO Markus Haas im TecTalk-Gespräch mit Achim Berg, Präsident von Bitkom, über die hiesige Innovationskultur.
Auch Berg ist von der Innovationskraft Deutschlands überzeugt, monierte im Talk aber, dass darüber hierzulande zu wenig gesprochen würde. Außerdem forderte er sektorenübergreifend mehr Risikobereitschaft ein: „Wir können Gutes besser machen. Nur fehlt uns der Mut, Dinge auch mal anders, digitaler zu denken und ein Risiko einzugehen. Das ist vielleicht in unserer Mentalität begründet“, fügte Berg hinzu.
Beharrungsvermögen verdrängt Chancen
Vergleicht man dies etwa mit der US-amerikanischen Mentalität und Innovationskultur, so sieht man, dass vor allem bei Tech- und IT-Firmen die USA die meisten der innovativen Unternehmen stellen. „Deutsche sehen sich üblicherweise zuerst verfügbare Modelle an, schreiben modellbasierte Konzepte und setzen diese hergeleiteten Konzepte schließlich um. Amerikaner sind viel agiler, weil sie nicht an Konzepten „hängen“, sondern in jedem Moment beobachten, was am besten funktioniert“, so das Portal consultingcheck. „Sie schwenken schnell auf bessere Ansätze um, während Deutsche stark konzeptverhaftet sind; daraus ergibt sich ein Beharrungsvermögen.“ Dabei würden Risiken ausgiebig untersucht und verdrängten gelegentlich die Chancen.
Das sah auch Haas ähnlich und bezog dabei den öffentlichen Raum mit ein: „Auf kommunaler Ebene ist vieles digitalisiert. Aber, wenn es darum geht, das große Ganze zu entwickeln, bei dem viele Stakeholder involviert sind, tun wir uns damit schwer, mutige Entscheidungen zu treffen. 80:20 reicht. Es muss nicht immer gleich die komplette Version gebaut werden.“
Alle bisherigen Folgen des O2 Telefónica TecTalk, etwa mit André Schwämmlein, der als Gründer von FlixMobility die Verkehrswende vorantreibt, oder mit der Expertin für digitale Bildung, Verena Pausder, finden sich auf dem Youtube-Kanal von O2 Telefónica.
Spannende weitere TecTalk-Ausgaben sind geplant – etwa mit Deepa Gautam-Nigge (SAP) rund um die Frage, wie Innovationen entstehen, sowie im Dezember mit Katharina Schulze (Bündnis 90/Die Grünen) zum Thema Nachhaltigkeit und ESG. Interessierte können den O2 Telefónica Youtube-Kanal abonnieren.
Gigabitstrategie des Bundes soll Wende bringen
Ein großes Hemmnis, um die Eckpfeiler der Digitalisierung, Internet und Mobilfunk weiter auszubauen, ist außerdem die Bürokratie in Deutschland. Im Falle von Mobilfunkstandorten beispielsweise dauert es laut Bitkom etwa zwei Jahre, bis ein neuer fertiggestellt ist. Aktuell seien über tausend Verfahren überfällig. Diese Probleme hat auch (mal wieder) die Bundesregierung erkannt und in diesem Sommer die sogenannte Gigabitstrategie veröffentlicht. Ziel ist es, den „Bürokratieballast“ abzuwerfen, um den digitalen Wandel in Deutschland zu fördern. Dabei sollen etwa der Glasfaser-Internetausbau beschleunigt werden und Genehmigungsverfahren für Mobilfunkmasten, die nur für einen begrenzten Zeitraum an einem Ort sind, komplett wegfallen.
„Home-Office, Streaming im ICE und Empfang auf der Berghütte müssen endlich problemlos möglich sein. Dafür brauchen wir überall leistungsfähige digitale Infrastrukturen, das heißt Glasfaser bis ins Haus und den neusten Mobilfunkstandard“, erklärte Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, gegenüber der Presse und bat die Bundesländer, bis Ende 2022 Genehmigungsverfahren zu erleichtern und zu vereinheitlichen. Denn das Ganze umzusetzen, ist Sache der Länder und Kommunen und liegt nicht in der Verantwortung des Bundes.
Sowohl Haas als auch Berg begrüßten prinzipiell die neue Gigabitstrategie, forderten aber, dass es jetzt Zeit zum Handeln ist, damit die angedachten Maßnahmen nicht nur erneute politische Lippenbekenntnisse blieben. Dazu müsse das Thema auch zur Chefsache erklärt werden. Darüber hinaus setzten sich beide explizit dafür ein, private Investitionen zu erleichtern und zu fördern, indem etwa einmal getroffene Entscheidungen auch bei einem Regierungswechsel Bestand hätten.
Aber: Das Vorhaben zur Beschleunigung der Digitalisierung wird bereits erschwert: Schon seit Mitte Oktober 2022 sind die Bundeszuschüsse für den Gigabit-Ausbau aufgebraucht, so dass etwa der Leistungsausbau des Internets in Gegenden, in denen sich Privatinvestitionen für Telekommunikationsunternehmen nicht lohnen, weiter auf sich warten lässt.
Deutschland in Sachen Digitalisierung maximal Mittelmaß
Aber wie ist es denn nun um die Digitalisierung in Deutschland bestellt? Der O2 Telefónica TecTalk und statista deuten in eine ähnliche Richtung. Deutschland hat vor allem auf Verwaltungsebene beim Grad der Digitalisierung Nachholbedarf. Laut statista rangiert die Bundesrepublik bezogen auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung im unteren Mittelfeld. Bezieht man weitere Parameter wie Konnektivität oder Integration von Digitaltechnik mit ein, befinde sich Deutschland im oberen Mittelfeld.
Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, warum gerade skandinavische Länder in Sachen Digitalisierung weiter sind, was in diesem Zusammenhang gegen die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen spricht und warum es wichtig ist, die digitale ID einzuführen, sollten Sie in den TecTalk von O2 Telefónica „Wie die Digitalisierung von Land und Staat endlich gelingen kann“ reinschauen.