E-Ladesäulen: Immobilienbranche wartet noch ab
Deutschlands Städte und Gemeinden treiben den Umstieg auf klimafreundlichere Fahrzeuge voran: 74 Prozent von ihnen haben in Elektromobilität investiert, die Hälfte hat Ladesäulen aufgestellt. Weiter klaffende Lücken in der öffentlichen Ladeinfrastruktur erweisen sich mehr und mehr als Engpass für die E-Zukunft.
13.12.2019
Das sind einige Ergebnisse einer Anfang Dezember veröffentlichten Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, für die unter anderem Verantwortliche in 300 deutschen Kommunen befragt wurden. 61 Prozent von ihnen geben an, durch Umrüstung der städtischen Fahrzeugflotte einen Beitrag zur kommunalen Verkehrswende zu leisten. 16 Prozent haben dagegen keinerlei Mittel in die E-Mobilität investiert oder das vor.
Vorneweg fahren bei der Umrüstung städtischer Flotten Kommunen in Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein. Etwa drei von vier Städten dort haben Verbrenner bereits durch Elektro- oder Wasserstoff-Fahrzeuge ersetzt. Öffentliche Ladepunkte fanden die Autoren besonders häufig in hessischen (73 Prozent), baden-württembergischen (58 Prozent) und bayerischen Städten (55 Prozent).
Immobilienwirtschaft hält sich bei E-Mobilität zurück
Auffällig: Die deutsche Immobilienwirtschaft, deren Vertreter ebenfalls für die Studie befragt wurden, hält sich mit Investitionen in die E-Mobilität zurück. Nur 37 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass die E-Ladeinfrastruktur für sie eine hohe Bedeutung habe. Dass Immobilien mit Schnellladesystemen ausgestattet werden sollten, hält lediglich ein Drittel für nötig. Der Grund für die Zurückhaltung der Branche laut der Untersuchung: 60 Prozent und damit die Mehrheit zweifelt daran, dass sich E-Autos tatsächlich am Markt durchsetzen.
EY geht dagegen davon aus, dass Ende 2019 etwa 300.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride auf den deutschen Straßen unterwegs sein werden. 2020 soll ihre Zahl auf deutlich über 500.000 steigen. Reine Stromer sind hierzulande indes noch eine Seltenheit: 2018 wurden knapp 70.000 Elektrofahrzeuge neu in Deutschland zugelassen. Das ist ein Marktanteil von unter zwei Prozent, wie aus dem Electric Vehicle Index der Unternehmensberatung McKinsey hervorgeht.
Prämien und Steuererleichterungen
Dass die Elektromobilität in Zukunft auf deutschen Straßen dominieren wird, steht für EY-Partner Prof. Dr. Bernhard Lorentz außer Frage: Die Marschrichtung der Bundesregierung und der deutschen Autobranche sei spätestens seit den Beschlüssen des Autogipfels Ende Oktober klar: „Politik und Wirtschaft nehmen Milliardensummen in die Hand, um der Elektromobilität in Deutschland zum Erfolg zu verhelfen.“ Durch Erhöhung der Kaufprämien und die anstehenden Modellneuheiten sei ein erheblicher Anstieg der Neuzulassungen von E-Autos zu erwarten.
Dass staatliche Förderung die E-Mobilität beschleunigen kann, zeigt das Beispiel China: Während die meistverkauften Modelle in Deutschland im Schnitt Prämien und Steuererleichterungen in Höhe von 17 Prozent des Verkaufspreises erhalten, liegt diese Quote in China bei 23 Prozent. Der Marktanateil der Stromer ist dort zugleich doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik, wie der aktuelle McKinsey Index zeigt. Der „weitere Markthochlauf“, so die Berater, werde „stark von der Ladeinfrastruktur und der Kostenentwicklung abhängen“.
Ladeinfrastruktur noch lückenhaft
In Deutschland sind laut EY bislang rund 17.000 Ladestationen installiert worden. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen in den kommenden zwei Jahren weitere 50.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte hinzukommen. Ob das Netz damit ausreichen dicht gesponnen ist, muss sich noch erweisen. Wer sein E-Auto nicht vor der Haustür laden kann, wird angesichts lückenhafter Ladeinfrastruktur zumindest genau überlegen, ob und wann er auf einen Stromer umsteigt.
Angesichts der Lücken und der erwarteten höheren Nachfrage nach öffentlichen und privaten Lademöglichkeiten wünscht sich EY-Partner Lorentz einen „Investitionsschubs und erhebliche Anstrengungen von mehreren Seiten“. Es fehlten weiterhin schlicht Ladestationen, sowohl in Wohn- als auch in Büro- oder Gewerbeimmobilien. Hier seien die Kommunen gefordert – und in hohem Maße die Immobilienwirtschaft.
Stadt-Land-Gefälle
„Ohne die Immobilienwirtschaft wird es nicht gelingen, der Elektromobilität in Deutschland rasch zum Durchbruch zu verhelfen“, sagt auch Oliver Schweizer, Partner bei EY Real Estate. „Es müssen jetzt rasch Lademöglichkeiten in großer Zahl in gewerblichen und privaten Immobilien geschaffen werden“. Aber das gelinge nur, wenn sich die Immobilienwirtschaft deutlich stärker als bisher engagiert und in die Diskussionen zur Lösung des Themas einbezogen werde.
Einfach abzuwarten, bis der Druck auf sie wachse, sei keine Alternative. Besser sei es, den Immobilienunternehmen unter die Arme zu greifen, und gemeinsam mit der Branche „konkret auf deren Bedarf zugeschnittene Angebote und Förderprogramme“ zu entwickeln. Vorgaben für Ladesäulen im Neubau reichten nicht. Dafür werde zu wenig neu gebaut. „Entscheidend“, so Schweizer, „wird der Bestand sein. Hier müssen Anreize geschaffen werden.“
Von einem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur ist Deutschland jedenfalls noch weit entfernt. Die EY-Studie zeigt ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Bei Ladepunkten im öffentlichen Raum sind wenig überraschend die Großstädte Vorreiter: 89 Prozent der Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern haben darin investiert. Bei kleineren Kommunen mit bis 50.000 Einwohner ist der Anteil mit 47 Prozent nur etwa halb so groß.