E.ON: smarte Netze für die Energiewende
Die Umstellung auf ein klimafreundliches Energiesystem ist komplex, weiß David Radermacher, Vice President Sustainability & Climate bei E.ON. Im Gespräch mit UmweltDialog erklärt er, welche Herausforderungen die Energiewende mit sich bringt, welche Weichen noch gestellt werden müssen und wie E.ON als Netzbetreiber aktiv zur Energiewende beiträgt.
26.05.2020
UmweltDialog: Im ersten Teil des Interviews sprachen wir über Ihre Klimaziele. Bis 2040 will E.ON in Bezug auf eigene Emissionen komplett klimaneutral sein. Viele andere Unternehmen setzen sich dieses Ziel sogar erst für 2050, also noch zehn Jahre später. Da sind alles sehr lange Zeiträume. Warum dauert die Umstellung eigentlich so lange?
David Radermacher: Gerade der Umbau eines Energiesystems ist mit enormen Anstrengungen und Investitionen verbunden, weil wir hier über langfristige Projekte reden, die zum Teil auf 40 Jahre ausgelegt sind. Zudem erfordert die Energiewende nicht nur die Umstellung des Stromsektors. Vielmehr müssen wir auch die anderen Sektoren wie Wärmeversorgung, Mobilität und Industrie konsequent mitdenken (Sektorkopplung). Erneuerbare Energie kann hier immer stärker zum Einsatz kommen und so fossile Energieträger zurückdrängen.
UD: Sie sprachen es gerade schon an: Heute schon müssen Investitionen getätigt werden, die unsere Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten bestimmen. Ist dafür der Rahmen – politisch wie marktwirtschaftlich – gegeben oder wo wünschen Sie sich bessere Bedingungen?
Radermacher: Gut ausgebaute und verfügbare Energienetze sind das zentrale Nervensystem für die Energiewende. Sie verbinden dezentrale Erzeugungsanlagen, erneuerbare Energien sowie Speicherlösungen aber auch die Verbraucher miteinander. Hier sind Wachstumsimpulse zu setzen und da braucht es in der Tat zusätzliche Anreize. Die Ausweitung des von der Koalition beabsichtigten Investitionsbeschleunigungsgesetzes für Verteilnetze kann dabei nur ein erster Schritt sein. Insbesondere für den Aufschwung nach Corona-Krise sind Entschlossenheit und Mut gefragt: Kein Netzmodernisierungs- oder Klimaprojekt darf länger als drei Jahre in der Genehmigung hängen. Außerdem ist es wichtig, dass wir in Europa eine politisch ambitionierte Wasserstoffstrategie verfolgen. Hier gibt es noch viele offene Fragen. Zusätzlich benötigen wir darüber hinaus weitere Anreize, um beispielsweise die Digitalisierung in der Energieinfrastruktur voranzutreiben.
UD: Wie kann man sich die Digitalisierung in der Energieinfrastruktur vorstellen
Radermacher: Das bedeutet, die Verteilnetze durch den Einsatz intelligenter Technologien smarter zu steuern. Durch intelligente Steuerung können wir beispielsweise das Abregeln Erneuerbarer Energien reduzieren und dadurch ihren Anteil im Netz erhöhen, ohne zusätzliche Kapazitäten zu benötigen. Als Netzbetreiber gehört es zu unserem täglichen Geschäft, unsere Verteilnetze weiter auf die Anforderungen der Energiewende auszurichten und so die Energiewende im Netz zu gestalten. Im Grunde genommen operieren wir hier am offenen Herzen. Das heißt, wir erhalten das hohe Maß an Versorgungssicherheit, während wir gleichzeitig die Netze smarter und für die Energiewende fit machen.
UD: Klingt nach einer Herausforderung.
Radermacher: Absolut. Das geht zum Beispiel durch intelligente und vorausschauende Wartung auf Basis von Sensorik. Wir tauschen die Betriebsmittel dann ressourceneffizient aus, wenn es die Gegebenheiten erlauben. So können wir die Versorgungssicherheit aufrechterhalten und Ausfälle vermeiden. Gleichzeitig hat sich aber auch die Aufgabe der Netzbetreiber grundlegend verändert. In der Vergangenheit sind die Netze auf den höchsten Verbrauch ausgelegt worden. Dafür hat man die Stunde des Jahres mit dem höchsten Verbrauch als Maßstab genommen. Jetzt haben wir aber die Aufgabe, das Netz so zu gestalten, dass wir die höchste Erzeugungsleistung abdecken können. Gerade bei unseren Verteilnetzbetreibern in den ländlichen Regionen ist das wichtig. Denn die Energieerzeugung findet nicht mehr nur wie früher in den Großkraftwerken statt, sondern zunehmend nah am Kunden in den Verteilnetzen.
Mehr zu Klimaschutz und Energiewende bei E.ON:
UD: E.ON sieht sich als „partner of choice“ für Lösungen, die die Energiewende vorantreiben. Was heißt das?
Radermacher: Wir müssen erkennen, dass wir die Energiewende und den europäischen Klimaschutz nur partnerschaftlich bewältigen können. Und das bedeutet, dass wir auch neue Formen der Zusammenarbeit finden müssen. Das ist im Prinzip das Geschäftsmodell der neuen E.ON. Als „partner of choice“ stehen wir gemeinsam mit unseren Kunden für europäischen Klimaschutz. Beispielswiese finden wir Konstrukte, mit denen wir Energieabfälle an anderer Stelle wieder intelligent bereitstellen können. Das passiert schon jetzt zwischen Industrie und Kommunen. Die Abwärme aus Industrieanlagen kann genutzt werden, um ganze Dörfer oder Stadtteile zu beheizen. Hier sind wir wieder beim Thema Sektorkopplung. Damit können wir partnerschaftlich echten Klimaschutz betreiben.
UD: Vielen Dank für das Gespräch!