Miele: ein Gewächshaus für die Küche
Ein kleiner, automatisierter Gemüse- und Kräutergarten mitten in der eigenen Küche? Mit dem Plantcube bringt die Miele-Tochter „Agrilution“ das Vertical Farming in die heimischen vier Wände.
20.03.2020
Frisches Gemüse, Salate und Kräuter aus eigenem Anbau: Sich mit selbst gezogenen Lebensmitteln zu versorgen liegt im Trend: „Hobbygärtner haben den Wunsch, Selbstversorger zu werden – auch wenn die Zeit knapp und der Platz begrenzt ist“, heißt es im Magazin „Mein schöner Garten“. Doch gerade in Städten und sehr dicht besiedelten Gebieten fehlt häufig der eigene Garten, manche haben nicht mal einen Balkon. Wer dann mehr als den Kräutertopf auf der Fensterbank haben will, braucht alternative Anbaumöglichkeiten.
Vertical Farming fürs Zuhause
„Immer mehr Menschen leben im urbanen Raum, streben aber gleichzeitig nach einem bewussten Leben und individueller Freiheit“, weiß auch Maximilian Lössl. Gemeinsam mit Phillipp Wagner gründete er 2013 das Münchener Start-up Agrilution, das seit Ende 2019 zur Miele-Gruppe gehört. Zusammen entwickelten Lössl und Wagner den Plantcube: ein Vertical-Farming-System für die heimische Küche. Das gesamte Jahr über kann man hier in den eigenen vier Wänden ganz einfach Salate, Kräuter und Co. anbauen – unabhängig von Sonne und Wetter.
Haus- und Gewerbegerätehersteller Miele sieht in dem Konzept Potenzial: „Wir glauben an die Idee, an das Produkt und an das Geschäftsmodell – und an eine langfristige Zusammenarbeit mit den beiden Gründern und ihrem Team“, sagt Gernot Trettenbrein, Geschäftsführer der Miele Venture Capital GmbH und Leiter des Geschäftsbereichs Hausgeräte der Miele-Gruppe.
Täglich frisch geerntete „Greens“
Aber was genau kann der Plantcube eigentlich? Das Mini-Gewächshaus ist etwa so groß wie ein Standardkühlschrank und kommt ohne Erde aus. Stattdessen werden lebensmittelechte Saatmatten ausgelegt, die bereits mit Saatgut bestückt sind. Derzeit kann man aus 25 verschiedenen Saatmatten auswählen. Darunter Klassiker wie Basilikum und Blattsalat, aber auch exotischere Sorten wie das fernöstliche Blattgemüse Tatsoi oder bunt gemischte Saatmatten. Die so gezogenen „Greens“ sollen auch gesünder sein: „Im Schnitt besitzen die Pflanzen 30 Prozent mehr Vitamine, Mineralien und Antioxidantien“, so Lössl in einem Interview. „Das ist allein schon deshalb der Fall, weil die Pflanzen noch leben und somit nicht getötet und anschließend in Plastik verpackt werden.“
Insgesamt acht Saatmatten passen gleichzeitig in einen Plantcube. Einen grünen Daumen braucht man für den Anbau nicht, denn der Gewächsschrank übernimmt bis auf die Ernte (fast) alles selbst. Er regelt Licht und Klima und kontrolliert auch die Bewässerung. Lediglich den Wassertank sollte man hin und wieder auffüllen und regelmäßig eine Nährlösung hinzugeben. Einen rechtzeitigen Hinweis liefert die dazugehörige App. Die zeigt auch den aktuellen Stand des Wachstumsprozesses und den richtigen Erntezeitpunkt an.
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Wie nachhaltig ist der Plantcube?
Das System ist aber nicht nur smart, sondern auch besonders wassersparend: Den Angaben von Agrilution zufolge benötigt der Gewächsschrank gerade einmal knapp 120 Liter Wasser im Jahr, selbst bei voller Auslastung. Zum Vergleich: Ein Kilo grüner Salat verbraucht bei konventionellem Anbau etwa 240 Liter Wasser. Auch an anderer Stelle stellt sich die Miele-Tochter nachhaltig auf. So bestehen die Saatmatten, die in München produziert werden, aus upgecycelten Textilresten, genauer gesagt aus dem Verschnitt von Teppichen. Das Saatgut ist kontrolliert und gentechnisch unverändert. Außerdem kommt der Anbau im Plantcube ohne Pestizide aus.
Allerdings: Im Gegensatz zu einem Kräutertopf auf der Fensterbank braucht das kleine Gewächshaus Strom. Eine offizielle Umweltbilanz für den Plantcube wurde bisher noch nicht erstellt. „Der Stromverbrauch des Plantcubes ist vergleichbar mit dem eines PCs. Betrieben mit erneuerbaren Energien wäre die CO2-Bilanz sogar neutral. Doch dies obliegt dem individuellen Nutzer“, sagt Lössl. Katrin Wenz, Agrarexpertin vom Bund Naturschutz Deutschland, ist von dem Konzept noch nicht ganz überzeugt: „Das Indoor-Farming, das eben in diesem kleinen Beispiel zu Hause stattfindet, ist nicht sonderlich energieeffizient, denn hier wird künstlich Temperatur erzeugt, Licht und, ja, es wird Wasser hinzugefügt und mineralischer Dünger. Und da muss man ganz genau hingucken bei der Umweltbilanz, denn mineralischer Dünger ist sehr energieaufwändig in der Erzeugung“, erklärt sie gegenüber Deutschlandfunk Kultur. Doch Dünger wird nicht nur für den Plantcube gebraucht: „Auch die traditionelle Landwirtschaft nutzt Dünger, wobei hier die Reserven an Stickstoff und Phosphat drohen auszugehen. Im Vergleich nutzen wir 70 Prozent weniger Dünger als auf dem Feld. Wenn wir betrachten, dass der Erde immer weniger Agrarfläche für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zur Verfügung steht, brauchen wir für die nahe Zukunft eine Lösung“, ergänzt Lössl.
Für Miele passt der Plantcube gut ins Portfolio. Denn damit baut der Hersteller von Haus- und Gewerbegeräten seine Kompetenz im Bereich Healthy Lifestyle aus. „Mit Blick auf kreatives Kochen, neue Geschmackserlebnisse, bewusste Ernährung und urbanen Lifestyle eröffnen die Plantcubes den Menschen spannende neue Möglichkeiten“, weiß Trettenbrein.